Jean-Pierre Voyer

Untersuchung
über Natur und Ursachen
des Elends der Menschen


Aus dem Französischen übersetzt von Gerhard Bauer und Daniel Lienart

Edition Nautilus


Editorische Notiz:
Die Originalausgabe dieses Buches erschien unter dem Titel
"Une Enquete sur la Nature et les Causes de la Miseres des Gens"
1976 im Verlag Champ Libre, Paris.
Dortselbst erschien 1975 "Introduction a la Science de la Publicite".
In deutscher Sprache liegt desweiteren vor
"Reich, Gebrauchsanweisung", Düsseldorf 1974 (Edition Nautilus).


Edition Nautilus
Verlag Lutz Schulenburg
Hassestr. 22, 205 Hamburg 80
2. Auflage 1980
ISBN: 3-921 523-51-6
C Editions Champ Libre, Paris
Printed in Germany


Klappentext hinten:

Durch sein "Reich, Gebrauchsanweisung" und seine "Einführung in die Wissenschaft der Publizität" schon weltbekannt, erlangt der Autor bei der Fortführung seiner schonungslosen Forschungen hier sein erstes entscheidendes Ergebnis. Wo die größten Köpfe wie Aristoteles, Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx gescheitert sind, ist Voyer erfolgreich. Er bringt endlich Licht in eine undurchsichtige Angelegenheit, die die Leidenschaften seit zwei Jahrtausenden aufwühlt und die besonders in der letzten Zeit eine Flut von uninteressanten Veröffentlichungen hervorrief: die Frage des Tauschwerts. Wie auch immer das Verdienst des Autors zu beurteilen ist, das wichtigste Verdienst kommt selbstverständlich der Epoche zu, die einen solchen Autor hervorbringt. So ist es ganz klar, daß diese Epoche nicht unempfindlich ihrem eigenen Produkt gegenüber bleiben kann, und wenn sie einen Autor erzeugt hat, so hat sie auch seine Leser geschaffen. Voyer zeigt, daß das, was den Reichtum der Nationen ausmacht - die Ware und ihr Geheimnis - auch das Unglück des Menschen verursacht. Die berühmte Frage der Entfremdung ist hier auf eine überraschende Art entwickelt, die nicht ohne praktische Auswirkungen bleiben wird, denn die theoretischen Fragen sind in der Öffentlichkeit auch immer die praktischsten. Eine der ersten Konsequenzen wird selbstverständlich die Niederlage des universitären Gesindels der bezahlten Denker sein, die seit einiger Zeit versuchen, von der Auflösung der Situationistischen Internationale zu profitieren, um weiter ihre Stimme zu erheben. Diejenigen, die da meinen, daß die revolutionäre Theorie nicht mehr existiert, irren sich gewaltig. Die schönen Tage der Integrierung sind vorbei.




"Nichts"

Tagebuch von Louis Gapet 14. Juli 1789




Inhaltsverzeichnis

I. Der Feind hat seinen Rußlandfeldzug begonnen

1. Diese Welt ist einer Idee ausgeliefert.

2. Den Fragen der Publizität eine öffentliche Form geben.

3. Unsere unmittelbarsten Feinde sind immer die Adepten der falschen Kritik.

4. Burlesken.

5. Im Spektakel wird nur das Detail zur Schau getragen.

6. Die Totalität als neues Detail.

7. Der Feind ist gezwungen an zwei Fronten zu kämpfen -, das heißt, an zwei Fronten zu lügen.

8. Die Ideen verbessern sich, der Feind trägt dazu bei.

9. Schlechter Umgang.

10. Der Situationismus muß bekämpft werden.

11. Der Skandal des Marxismus.

12. Marx - als Ökonom.

13. Marx - Idealist gegen seine Überzeugung.

14. Die Ökonomie ist die Geheimpolizei der Ideen.

15. Für die Bourgeoisie ist nur eine tote Idee eine gute Idee.

16. Die einzige Realität für das bürgerliche Denken ist das bürgerliche Denken.

17. Stalin, letzte Instanz der Welt, in der das bürgerliche Denken triumphiert.

18. Hegel war nur mäßig Hegelianer

19. Die Realität der Entfremdung ist die Realität dieser irrealen Welt.

20. Der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens.

II. Confidential Report

1. Eine skandalöse Verwechslung.

2. Mana.

3. Woran denken die Waren?

4. Endlich die Wahrheit in einer undurchsichtigen Angelegenheit.

5. Der Handel ist wirkliche, wertschaffende Aktivität.

6. Das Evangelium nach Ricardo.

7. Die Humanität ist das, was sich verliert, also das, was sich findet.

III. Der Klassenkampf existiert, aber nicht nur so, wie man ihn sich vorstellt.

1. Vorwärts! (en avant!)

2. Der Lohnarbeiter ist ein Sklave, der sich von Waren ernährt.

3. Das Kapital ist das Geld, das zu Kopf steigt.

4. Die Lohnarbeit ist das Geld, das seine Illusionen verliert.

5. Mit der Lohnarbeit geht die Ausbeutung in die universelle Entfremdung über.

6. Die Entwicklung der Lohnarbeit stellt universell die Frage des universellen Reichtums.

7. Nieder mit dem Proletariat!

8. Die zentrale Frage.

9. Die theoretische Antwort auf die zentrale Frage.

10. Publizität, das heißt viel schwätzen.

11. An die Waffen, Bürger!

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I. Der Feind hat seinen Rußlandfeldzug begonnen


1. Diese Welt ist einer Idee ausgeliefert.

Ein Konzept spukt um die Welt, das Konzept der Publizität, und dieses Konzept ist das Konzept der Welt selbst. Ihr eigenes Konzept ist der Welt zum Alptraum geworden. Die Situationistische Internationale hatte ihre Sache auf die Unzufriedenheit gestellt. Hinsichtlich des wachsenden Erfolges dieser Sache, angesichts der tödlichen Gefahr, die die Publizität dieser Unzufriedenheit für sie darstellt, sehen sich die Feinde der S.I. dazu gezwungen das Spektakel der Unzufriedenheit zu organisieren.1 Der Feind ist pro-situationistisch geworden. Der Situationismus ist die moderne Form des Revisionismus.


2. Den Fragen der Publizität eine öffentliche Form geben.

Publizität hat immer gefehlt, doch nicht immer in einer öffentlichen Form. Der Feind kann jetzt nicht mehr verhehlen, daß die Welt selbst den Gegenstand des hauptsächlichen Interesses der heutigen Welt darstellt. Nichts hindert uns mehr, Kritik an der Abwesenheit von Publizität zu knüpfen und in dieser Abwesenheit Stellung zu nehmen, also an realen Kämpfen teilzunehmen und uns mit ihnen zu identifizieren. Wir treten nicht als Doktrinäre mit einem neuen Prinzip auf: hier die Wahrheit, hier knie nieder! Wir entwickeln neue Prinzipien für die Welt, die wir dem Prinzip der Welt selbst entnehmen. Wir sagen ihr nicht: gib deine Kämpfe auf, es sind Dummheiten, wir lassen dich das wahre Motto des Kampfes hören. Wir zeigen der Welt warum sie in Wirklichkeit kämpft, und daß der Feind sie, ob sie will oder nicht, zur Publizität zwingt. Unser Ziel kann schlechthin nur darin bestehen, den Fragen der Publizität eine öffentliche Form zu geben.


3. Unsere unmittelbarsten Feinde sind immer die Adepten der falschen Kritik.

Die Revolte gegen die bestehenden Verhältnisse ist allgegenwärtig. Das Spektakel der Befriedigung hat ihr ihr ausdrückliches Projekt geliefert, nach dem großen Prinzip: "die Einheit der Unterdrückung liefert den möglichen Begegnungen den Zusammenhang." Der Feind hat zu seinem Entsetzen erfahren, daß es für ihn die größte Gefahr darstellt, wenn alles auf spektakuläre Weise gut geht. Darum muß jetzt alles auf spektakuläre Weise schlecht gehen. Es gilt, eine weitere Definition der Zielsetzung und Organisation der allgegenwärtigen Revolte zu verhindern. Die Leute haben ihre Absicht, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, zu deutlich demonstriert, als daß sich noch ein frontaler Widerstand erwägen ließe. Die Strategie des Staatus quo2 ist es gerade, daß das allgemeinste Prinzip, nämlich die Kritik am Geld und am Staat in seiner Vereinzelung befangen bleibt und sich in ihr erschöpft. Am besten man erkennt in dieser Revolte etwas Vereinzeltes an und gibt ihm Recht. Was 1968 tatsächlich in Frage gestellt wurde, war die Welt selbst, die Gesamtheit des Bestehenden. Aber dieses unbesiegte Prinzip hat selbst nicht gesiegt, weil es sich in seinen einzelnen Formen nicht wiedererkannt hat, weil es von eben diesen Formen nicht abstrahieren konnte. Es fehlt nie an Waffen, sondern immer an Ideen. Gerade auf alles was Mai 1968 überlebt hat an Agitation ohne Denken, parzellierter Agitation, Wucherung des Details, eben auf alles, was im Mai 1968 schon rückständig war, will der Feind sich stützen, um seiner Herrschaft noch etwas Dauer zu verleihen. Dazu braucht er nur aus allen antikulturellen Nachzüglern von 1968 eine spektakuläre Avantgarde zu machen. Unsere unmittelbarsten Feinde sind immer die Adepten der falschen Kritik, ihre patentierten Beamten, die Bürgen der für sie bürgenden Macht.


4. Burlesken.

Der Feind muß bis ins Detail kopieren, was die S.I. unter anderen Umständen gemacht hat. Das kann man leicht an der Komödie der Stars der spektakulären Unzufriedenheit erkennen, wo das berühmte Tandem der polytechnischen, pro-situationistischen Ökonomen Stoléru3 und Attali4 im Spektakel der Unzufriedenheit die Raffinesse von vaneigemistischen5, kybernetisch-debordistischen6 Tendenzen des Staates aufzeigt. Der Ökonom Guillaume zitiert ausführlich und voller Lob den Situationisten Debord inmitten einer Handvoll von Vertretern des schlimmsten universitären Schwachsinns und versucht aus dem Konzept Spektakel ein Detail unter anderen Details der semiologischen Krämerei zu machen. Konzepte wie Entfremdung und Spektakel müssen desinfiziert werden, wenn sie aus dem Mund eines Guillaume kommen. Dieser vielversprechende Manipulator im Stil der Neuen Linken, Anhänger der "politischen Strategie", Anhänger von Selbstverwaltung und Übergangsperiode träumt von nichts weniger, als "allen Menschen die Mittel zu ,geben’, ihre Zukunft zu erfinden". Bürger, könnten wir es, abgesehen von der Tatsache, daß die Guillaumes völlig unfähig sind, das zu realisieren, was sie vorgeben realisieren zu können, ertragen, dieser Gattung von detritus universitatis recuperans irgendetwas zu "schulden"? Wir verlassen uns schon lieber auf uns selbst. Doch das Amüsanteste ist noch der rasende Situationismus der stalinistischen Partei, die plötzlich beschlossen hat, so könne es nicht weitergehen, diese Welt sei nicht länger zu ertragen und es wäre höchste Zeit, um "frei zu leben"7, sich darüber klar zu werden, daß Stalin ein großer Erbauer von Situationen war.


5. Im Spektakel wird nur das Detail zur Schau getragen.

Die offiziell gewordene Unzufriedenheit muß dem Verständnis der Welt durch sich selbst zuvorkommen, indem sie alle Aspekte ihres Zerfalls, aber isoliert, als Details publiziert. Der Kampf ist von nun an der Kampf zwischen der Publizität der Unzufriedenheit, der Unzufriedenheit in Bezug auf das Wesentliche, der Unzufriedenheit in Bezug auf die Publizität und dem Spektakel der Unzufriedenheit, der Unzufriedenheit in Bezug auf das Detail. Für den pro-situationistischen Reformismus gilt es, alles anzuführen, bis auf die zentrale Frage, oder sie so anzuführen, daß sie als Detail unter anderen Details unverständlich wird. Die Sprache der Macht ist fanatisch pro-situationistisch geworden. Sie stellte das Glück überall im Schaufenster und immer zum besten Preis aus; jetzt denunziert sie die allgegenwärtigen Fehler ihres Systems. Die Besitzer der Gesellschaft haben plötzlich entdeckt, daß "alles" unverzüglich geändert werden muß, das Unterrichtswesen ebenso wie der Urbanismus, die Art und Weise, die Arbeit zu erleben genauso gut, wie die Ausrichtungen der Technologie. Es ist wichtig, genau zu begreifen, daß es, wenn die Mächtigen und ihre linken Anbeter davon sprechen, "alles" zu ändern, darum geht, alle Details zu ändern. Die ihrem Wesen nach unbewohnbare Welt der Ware, war im Begriff es auch sichtbar zu werden. Deshalb müssen sie sie unverzüglich spektakulär unbewohnbar machen, daß heißt unbewohnbar aus unzähligen Detailgründen, damit der wesentliche und einzige Grund verborgen bleibt. Selbstverständlich sind es gerade die, die die Welt so gemacht haben, wie sie ist, die all diese Details ändern wollen. Kurzum, diese Welt hat das Vertrauen all ihrer Regierungen verloren, sie erwägen deshalb sie aufzulösen und eine andere zu bilden. Hierbei machen sie nur geltend, daß sie qualifizierter als die Revolutionäre sind, um eine Umwälzung zu unternehmen, die so große Erfahrung und derartige Mittel voraussetzt, daß eben sie sie besitzen und somit vertraut sind.


6. Die Totalität als neues Detail.

Der Drecksstaat, der Drecksjournalist, -akademiker, -linke, -gewerkschaftler, -ökologe, -stalinist, der Drecksantikulturelle spricht von nichts anderem mehr, als von der Lebensqualität, vom Qualitativen, vom Alltagsleben, von Selbstverwaltung, dem "Verändern der Welt" und dem "Verändern des Lebens"8. Um noch ein paar Details anzuführen. Dem modernen Reformismus ist es gelungen, aus der Totalität selbst ein neues Detail zu machen. Der Feind antwortet auf das Konzept der Welt mit seiner eigenen Inszenierung der Welt, als Drohung für die Welt: einer neuen Version des Spektakels des Weltuntergangs. Die Akkumulation des Abfalls auf der Erde (nicht nur die Akkumulation des Abfalls der Linken, sondern die Akkumulation des Abfalls stricto sensu) schafft, wie gerufen, das für die koloniale Erneuerung vielversprechende "Neuland", das neue Empire, die neue und ewige Jugend der Ware: den Abfallmarkt. Diese ganze Schaumschlägerei um eine weltweite Überflutung durch den Abfall hat nur ein Ziel: nach dem großen Alarm von 1968 noch etwas länger zu verhehlen, daß die einzig wesentliche Verschwendung des menschlichen Lebens die absolute Verschwendung des menschlichen Lebens ist, daß das ganze menschliche Leben verschwendet wird, daß leben für einen Menschen etwas absolut fundamentloses, daß das menschliche Leben ein durch den Stoffwechsel der Ware produzierter Abfall schlechthin geworden ist. Der Abfallmarkt erfüllt ausgezeichnet diese Doppelfunktion: 1. rückt er die bedrohliche zentrale Frage durch das groteske, klägliche Spektakel der weltweiten Unzufriedenheit der Müllmänner in den Hintergrund, 2. stärkt er immer mehr das Image des Staates als Meister der ewigen Arbeit in Sauberkeit, als Meister der Ökonomie der Naturschätze mit vielen Umweltschutzministern9 und der stolzen Devise: "Der Staat ist da und der Dreck verschwindet". (Nur der linke Dreck nicht, der den Staat und die Arbeit ja so sehr liebt). Die Unfähigkeit argumentiert mit der Unfähigkeit, nicht nur um ihre Erhaltung, sondern auch um ihre Verstärkung zu rechtfertigen. Die wesentliche Charakteristik der Ware ist es, daß sie zunächst ihre eigenen Bedingungen, ihre ewige Selbstrechtfertigung, die neuen unbekannten Gebiete, die für ihre Entwicklung notwendig sind, zu reproduzieren sucht, damit ihr niemals irgendetwas auf diesem Gebiet entgegengesetzt werden kann, auf dem sie konkurrenzlos ist, so daß sie wohl fähig ist, den Planeten zu vernichten, wenn ihr nichts Wesentliches entgegengesetzt wird. Ihre wahre Grenze liegt anderswo. Sie hat kein anderes Ziel, als die Asche zu produzieren, aus der sie wiederersteht. Seit 6000 Jahren ist die Geschichte der Ware die Geschichte einer einzigen langen Katastrophe. Die Ware als soziales Verhältnis - nährt sich vom Ruin, den sie fortwährend produziert: Rom, das Spanien Philipps des Zweiten, die Ausrottung von allem, was an Nicht-Ware auf der Erde existiert. Das Wasser, die Luft (immer als Beispiele für nützliche und trotzdem kostenlose Dinge von den Klassikern, wie Engels, angeführt), die Stille, der Abfall, das alles war kostenlos, all das kostete keine Mühe, all das war noch nicht Gegenstand des Warentausches. So konnte es nicht weitergehen! Das war dazu bestimmt nicht länger anzudauern. Die zivilisatorische Rolle der Ware besteht darin, auf diese abscheuliche Weise Dinge zu sozialisieren, die bislang nicht sozialisiert waren. Wir sind die Augenzeugen der Sozialisierung des Abfalls, der Sozialisierung der Gesellschaft, der Sozialisierung der Welt. Der Feind antwortet auf den Versuch des Umsturzes der Welt, indem er aus der Welt eine Ware unter anderen Waren macht. Er wird Welt verkaufen, wie er Bridel10 verkauft hat.


7. Der Feind ist gezwungen an zwei Fronten zu kämpfen -, das heißt, an zwei Fronten zu lügen.

Der Feind denunziert, seiner gewohnten, spektakulären Taktik folgend, eine zu gefährlich gewordene Lüge durch eine neue Lüge. Nur diesmal ist die neue Lüge eine verspätete Lüge, sie interveniert erst, nachdem die vorherige ihre Selbstdenunziation schon erzeugt hat. Unter dem Zwang dieser Selbstdenunziation nämlich muß der Feind übereilig die spektakuläre Denunziation des Spektakels, die Umkehrung der Krise des Spektakels in ein Spektakel der Krise organisieren. Der Schlag war so erschreckend, daß der Feind sich nicht mehr auf einfaches Vergessen verlassen kann. Er muß gleichzeitig zwei Lügen vertreten. Er muß gleichzeitig das Spektakel der Zufriedenheit und das Spektakel der Unzufriedenheit vertreten, er muß die Existenz von Publizität und die Nichtexistenz von Publizität anstreben. Diese Welt muß den Mangel an Publizität organisieren und vermehren, während sie den Mangel an Publizität bedauert. Doch diese zweigleisige Lüge ist nicht ungefährlich für den Feind: das ganze muß sich unbedingt in dieser berühmten Stimmung der Frivolität und Langeweile abspielen, die den großen Umwälzungen vorangeht11. Man muß gleichzeitig wegen des Mangels an Treibstoff stöhnen und noch größere Autos bauen. Bislang konnten die großen spektakulären Manöver, wie etwa der Kalte Krieg, einen dramatischen Charakter, der ihre wichtigste Triebkraft war, haben und erzielten so noch einen gewissen Effekt. Fortan wiederholt sich die Geschichte als Farce: den großen Manövern gelingt es nicht, den für ihr Ausmaß notwendigen "Ernst" zu erzielen und sie kommen nicht umhin, sich im Grotesken und Zusammenhanglosen abzuspielen. Selbst die Möglichkeit, daß diese Farce eine absolut schlechte Wendung nimmt, erscheint als ein der Abscheulichkeit der Welt gemäßes Ende, eben eine beliebige Art und Weise, mit Mühsal und Langeweile Schluß zu machen. In diesem lächerlichen Spektakel der verwesenden Herrschaft kommt die Pleite der alten Welt zum Vorschein. Das groteske des Müllkrieges besteht darin: es gilt ein erstarrtes, dumpfes Viech, das schon längst menschlich tot ist und dem seine Gattung etwas Weitzurückliegendes und Grundfremdes ist, für die Frage des Überlebens seiner Gattung zu begeistern: das Spektakel der Gattung als Drohung für die Gattung.


8. Die Ideen verbessern sich, der Feind trägt dazu bei.

Wir erfahren auf einmal, unterrichtet durch eine Unzahl kleiner Nachrichten, daß es den situationistischen Gamaschen an Knöpfen gefehlt habe. Doch die Ehre für die fundamentale Kritik an der S.I. kommt dem deklarierten Feind zu. Da er - und mit welchem Entsetzen - eingesehen hat, daß die Epoche nun einmal situationistisch, ihm aber zu situationistisch ist, hat er beschlossen, mit den Wölfen zu heulen. Er ist pro-situationistisch geworden. Das ist sowohl die größte der S.I. entgegengebrachte Huldigung, wie auch die größte und nützlichste Kritik. Die Rekuperation12, zu der der Feind gezwungen ist, zeigt die Exzellenz, aber besonders die Unzulänglichkeit der Ideen der S.I. Der Feind kommt nie ungeschoren davon. Die Rekuperation ist eine Notwendigkeit. Der Fortschritt schließt sie ein. Der Feind selbst denunziert die Unzulänglichkeiten unserer Kritiken durch seine bloße Existenz. Jeder revolutionären Niederlage haftet etwas von einem Sieg des Geistes an, insofern sie es ermöglicht, in der Theorie und in der revolutionären Praxis das Gute vom Schlechten zu trennen. Das ist die Feuerprobe. Der Feind entledigt uns der pro-situationistischen und anti-kulturellen linken Nachzügler, indem er sie in seine Avantgarde einstellt, sie kompromittiert und ihnen schließlich den Boden unter den Füßen fortzieht. Bürger, wisse, daß, wenn wir im Mund eines Ministers, eines Ökonomen, eines Stalinisten oder eines Linken etwas Verfaultes finden, was einmal eine Idee war, uns diese Idee nicht mehr nutzen kann und daß jedes Konzept, das sich einmal in schlechter Gesellschaft befunden hat, unverzüglich und unerbittlich dem Feuer der Kritik ausgeliefert werden muß. Wenn man die kleinen pro-situationistischen Publikationen liest, könnte man glauben, daß die S.I. der Feind ist und ihr Hauptverbrechen darin besteht, überhaupt existiert zu haben13. Wir müssen die Welt kritisieren, die praktisch die S.I. und die Massen ihrer Epoche kritisiert und sie nur deshalb kritisiert, weil sie ihren Ansturm überlebt hat.


9. Schlechter Umgang.

Die Idee der absoluten Macht der Räte der ex-Arbeiter muß schon sehr harmlos und schwach entwickelt sein, wenn man sie in Gesellschaft des stalinistischen Pfaffen Garaudisque14 (le Monde vom 20. August 1975) oder des Militärs Fabiao15 (Le Monde vom 21.-22. August 1975) antrifft. Letztgenannter antwortet auf die Frage, welche Beziehung zwischen einer zentralen Macht und den Einheitsorganisationen der Basis bestehen könnten: "Die zentrale Macht hat mit der Macht der Basis nichts zu tun (man kann dem nur zustimmen) … Die Macht der Basis ist völlig anderer Natur (man kann nur abermals zustimmen). Ihre Funktion ist es, die täglichen, kollektiven und staatsbürgerlichen Angelegenheiten zu bewältigen". Hier haben wir es mit einer sehr eigentümlichen Auffassung der absoluten Macht der Räte der ex-Arbeiter zu tun. Es handelt sich um Räte, die die Existenz des Staates und des Geldes dulden würden. Nach Garaudisque kontrollieren, verwalten die Räte die soziale Aktivität. Es gibt also einerseits die Räte und andererseits die soziale Aktivität, das heißt, die Aktivität der Freunde von Garaudisque und Fabiao. Selbstverwaltet, wir regieren! Arbeitet, wir machen den Rest! Dem reformistischen Dreck zufolge kümmern sich die Arbeiterräte um das alltägliche Leben, während sich der Staat und das Geld um die weltweiten Angelegenheiten kümmern. Das alltägliche Leben ist groß in Mode. Der eine Schwachkopf redet von Selbstverwaltung des alltäglichen Lebens (die Selbstverwaltung von nichts), der andere spricht von Syndikalismus des alltäglichen Lebens. Das alltägliche Leben ist das neue Kampfroß des modernen Reformismus, die sogenannte Kommunistische Partei eingeschlossen. "So kann man nicht weiterleben"16. Ich habe sogar eine - im übrigen ausgesprochen charmante - dumme Gans getroffen, die erklärte, sie liebe das alltägliche Leben! Sie hatte natürlich wie Garaudisque und Fabiao davon gehört, daß die S.I. viel vom alltäglichen Leben gesprochen hat. So glaubte sie - freilich viel unbefangener als Garaudisque und Fabiao mit der Mode zu gehen. Nur hat die S.I. immer von der Kritik des alltäglichen Lebens gesprochen. Die naive Suche nach Glück im alltäglichen Leben, so wie es ist, das heißt, jeder Publizität beraubt, - eben darin üben sich Tausende von leitenden Angestellten und deren Frauen. Das ist die genaue Definition des Konsums des leitenden Angestellten, eben diese Suche nach einem Glück, das die Existenz des Staates toleriert. Die einzig mögliche Beziehung zwischen der zentralen Macht und den Räten der ex-Arbeiter ist der Krieg. Der Militär Fabiao weiß das besser als jeder andere und er schließt dann auch seine Ausführung mit dem Wunsch: "Wenn man darauf hoffen will, daß eine Beziehung zur zentralen Macht zustande kommt, so wird das erst in vielen Jahren der Fall sein".


10. Der Situationismus muß bekämpft werden.

Der Situationismus muß bekämpft werden. Und um den Situationismus tatsächlich zu bekämpfen - es gibt eine pro-situationistische Mode, die in der spektakulären Opposition zum Situationismus besteht - muß zunächst der Marxismus bekämpft werden. Die Situationisten waren die ersten, die den Marxismus bekämpften, das heißt, Marx gerecht wurden. Folglich heißt den Situationisten gerecht zu werden, zunächst Marx gerecht zu werden. Wir werden dann sehen, daß es sich nicht darum handelt, einen Trennungsstrich zwischen der Vergangenheit und der Zukunft zu ziehen, sondern darum, die Ideen der Vergangenheit zu vollenden. Wir werden schließlich erkennen, daß die Menschheit nicht mit einer neuen Aufgabe beginnt, sondern ihre alte Arbeit mit Kenntnis realisiert. Der Marxismus ist diese Schändlichkeit, die behauptet, daß die Theorie recht haben kann, wenn die Massen Unrecht haben! Man muß schon ein Schafskopf vom Format eines Castoriadisque17 sein, um sich vorzustellen, daß der Marxismus eine lebendige Theorie gewesen sein kann.


11. Der Skandal des Marxismus.

Der Skandal des Marxismus und des Situationismus besteht einfach darin, zu behaupten, daß das Denken von Marx und das Denken der Situationisten wahr sind, obwohl die Feinde von Marx und die Feinde der Situationisten noch aufrecht stehen, ganz so als wäre die Frage der Wahrheit eines Denkens nicht eine Frage der Praxis, die Frage seiner Schlagkraft und der Vernichtung seiner Feinde. Tatsächlich ist der Marxismus der Sieg des "Denkens" von Stalin, das heißt, der Sieg seiner Polizei.18 Der Marxismus ist russische und chinesische Ware. Der Marxismus ist der Gebrauch des Ungenügenden im Werk und im Leben von Marx, durch die Feinde von Marx. Aber auf diese Weise macht der Feind sich die Mühe, das Denken und Leben von Marx zu kritisieren. Was wollen sie, wir sind im Krieg! Die berühmteste Niederlage Napoleons ist auch seine berühmteste Schlacht. Marx kann als Ideologe angesehen werden und Napoleon freilich als seniler Trottel.19 Im sozialen Krieg sind das Leben von Marx und das Leben der Situationisten wirkliche Offensiven und wirkliche Schlachten, weil sie den Feind dazu gezwungen haben, so zu werden, wie wir ihn haben wollen: der Marxismus und der Situationismus sind die wahren Lügen, die Lügen, die sich auf die wesentlichen Fragen beziehen, das falsche Wahre, das wahre Falsche. Unsere Aufgabe ist es, das Denken von Marx und das Denken der Situationisten wahr zu machen. An uns, ihre Feinde, - unsere Feinde - niederzuschlagen. An uns, das Denken in der Praxis triumphieren zu lassen.


12. Marx - als Ökonom.

Man muß schon sagen, selbst auf die Gefahr hin, sein Andenken zu beleidigen, daß Marx auch Ökonom war. Marx hat, ebenso wie die Massen seiner Zeit, die Kritik der politischen Ökonomie nicht bis an ihre Grenzen geführt. Er hat im Gegenteil den Gesichtspunkt der Ökonomie der Arbeit von anderen beibehalten. Die Bourgeoisie ist mit Marx fertig geworden, wie sie auch mit der Arbeiterbewegung nach 1848 fertig geworden ist. Man weiß seit Erscheinen der "Einführung in die Wissenschaft der Publizität"20, daß der Austausch das wesentliche Moment der Menschheit und daß die Idee des Austausches das wesentliche Moment des Austausches ist. Es ist evident, daß Marx, der doch in seinem Werk mehrere hundert Mal das Wort "Austausch" benutzt, dessen Konzept ignoriert. Er läßt also, entgegen seinen Jugendäußerungen die Idee als wesentliches Moment der Realität außer acht. Er konnte deshalb die Ökonomie absolut nicht als schamhaftes und heuchlerisches Denken demaskieren, das versucht, sich als Realität auszugeben, das versucht, sich als widersprüchliche Einheit des Bestehenden und der Idee vom Bestehenden auszugeben. Er konnte auch nicht den wahren Skandal der Entfremdung, die die Entfremdung der Idee vom Bestehenden ist, begreifen. Die Dinge mußten sich erst verschlechtern. Erst als sich die Dinge verschlechterten, die letzten Bastionen, wo man miteinander plauderte, die letzten Orte, an denen die Ware noch das Schwätzen tolerierte, verschwanden und einem immensen Schweigen, voll vom Geschwätz der Waren und professionellen Schwätzern, einem Schweigen des äquatorialen Waldes - einem dem Menschen absolut feindlichen Ort - Platz machten, lernte man das Schwätzen wieder richtig zu schätzen. Ebenso wie der Situationismus jeder Macht und der ihr Dienenden von der Situationistischen Internationalen nur das übernimmt, was nicht hinreichend war und sich als ungenügend offensiv erwiesen hat, übernimmt der Marxismus, als extremste Form des bürgerlichen Denkens, von Marx nur das, was tatsächlich niemals aufgehört hat, der Bourgeoisie anzugehören.21 Indem er auf diese Weise die Unzulänglichkeit unserer Partei kritisiert, verurteilt uns der Feind zu immer mehr Genialität. Besten Dank. Indem er pro-situationistisch geworden ist, wird er wirklich anti-situationistisch. Er wird massenhaft Situationisten produzieren. Abermals besten Dank.


13. Marx - Idealist gegen seine Überzeugung.

Es ist derselbe Marx, der erklärt: "man geht nicht von dem aus, was die Menschen sagen, sich denken, sich vorstellen", der selbst von einer Idee, einer Vorstellung ausgeht: der Ökonomie, aus der er etwas absolut Wirkliches machen will, das Wirkliche par excellence, "den Prozeß des wirklichen Lebens". Die Ökonomie existiert ausschließlich als Handlung der Bourgeoisie und als Idee im bürgerlichen Denken. Als Handlung ist die Ökonomie nichts als die Ökonomie der Arbeit von anderen. Als Idee ist die Ökonomie nur die Vorstellung, die sich die Bourgeoisie von der Welt macht und von der sie will, daß man sie sich zu eigen macht. Was ist das für eine Idee? Es ist die Idee von einer Welt, in der die Bourgeoisie nicht herrschen würde, in der das bürgerliche Handeln kein herrschendes Handeln wäre, einer Welt also, in der die Bourgeoisie notwendig wäre. Die Bourgeoisie ist eine sich schämende herrschende Klasse, sie ist eine herrschende Klasse, die behauptet, nicht zu herrschen. Marx hat diese List sehr gut erfaßt. Er nimmt den Krieg auf, um den apologetischen Charakter der Ökonomie aufzuzeigen. Doch zu welchem Ergebnis kommt er? Er verewigt die Bourgeoisie in der Theorie besser, als die Bourgeoisie es sich jemals hätte wünschen können, so daß die Theorie, zu der er gelangt, es erlaubt, eine bürgerliche Welt ohne Bourgeoisie zu konzipieren, eine Welt die, was auch immer geschieht, bürgerlich bleibt, eine Welt, in der die Ökonomie die Realität der Welt ist. Nun ist die Ökonomie aber nichts anderes, als eine Lüge der Bourgeoisie über die Herrschaft der Bourgeoisie. Und eine Welt, in der die Ökonomie die Realität der Welt ist, ist eine Welt, in der die Herrschaft der Bourgeoisie die Realität der Welt ist. Man begreift, warum Marx sich getäuscht hat, denn das bürgerliche Denken, das Denken einer sich schämenden herrschenden Klasse, ist ein sich schämendes Denken. Da das bürgerliche Denken eine Lüge über das bürgerliche Handeln ist, legt sie, wie jede Lüge, Wert darauf, ihre Realität als Lüge ignorieren zu lassen. Es unternimmt alles und würde immer alles unternehmen, um vergessen zu lassen, daß es ein Denken ist. Es erinnert sich zu gut daran, daß die Bastille gegen alles abgesichert war, - nur gegen Ideen nicht! Im Einverständnis mit dem bürgerlichen Denken und dessen Wünsche erfüllend, hat Marx aus dem Denken ein einfaches Unterprodukt des menschlichen Handelns, eine bloße bolschewistische Widerspiegelung gemacht. Da liegt sehr genau das von der Bourgeoisie verfolgte Ziel: sich als herrschende Klasse, die handelt und denkt, in Vergessenheit zu bringen. Die Ökonomie ist eine Idee, die geheim bleiben muß, weil sie eine Idee ist, die gegen Ideen plädiert. Marx macht also eine ökonomische Kritik der Ökonomie, - nach dem Muster: "die Ökonomie ist tatsächlich die Realität der Welt. Nur die bürgerliche Konzeption der Ökonomie ist falsch". Während doch die Ökonomie nichts anderes ist, als die bürgerliche Konzeption der Welt. Wenn die Ökonomie existiert, so nur als bürgerliche Konzeption der Welt und als Herrschaft der Bourgeoisie über die Welt, also als die Beherrschung der Welt durch die bürgerliche Konzeption der Welt. Wenn die Ökonomie als Denken und Handeln falsch ist, dann deshalb, weil die Bourgeoisie falsch ist und keineswegs weil die bürgerliche Konzeption der Ökonomie falsch ist. Die Ökonomie, die die Lüge der Bourgeoisie über die Welt und über die Beherrschung der Welt durch die Bourgeoisie ist, kann nicht wahr sein. Die Ökonomie stellt keine wirkliche Kategorie der Welt dar. Die Ware, das Geld, der Wert, das Kapital, - ja. Die Ökonomie ist lediglich die Lüge einer bestimmten Klasse über die Welt. Die Ware, das Geld, der Wert, das Kapital sind die eigenen Lügen der Welt über sich selbst. Die Ware, das Geld, der Wert, das Kapital sind keine ökonomischen Kategorien.

Sie sind Kategorien der Welt. Das bedeutet, daß diese Kategorien nicht der Bourgeoisie gehören, daß es der Bourgeoisie, all ihren Anstrengungen zum Trotz, nicht gelungen ist, von ihnen Besitz zu ergreifen, daß es diese Kategorien sind, die die Bourgeoisie immer beherrscht haben, und daß der in die Grube gefallen ist, der sie gegraben hat. Die Ökonomie ist nichts anderes, als der "wissenschaftliche" Versuch der bürgerlichen Klasse ihre Entfremdungskategorien zu beherrschen. Die ökonomische Version der Entfremdungskategorien ist lediglich die bürgerliche Version der Entfremdung.


14. Die Ökonomie ist die Geheimpolizei der Ideen.

Wenn in der Antike die herrschenden Kategorien, die das Verhältnis der sozialen Verhältnisse und die Geschichte bestimmen, wesentlich politische Kategorien sind (die Macht in der Stadt, die Verhältnisse zwischen den Städten, das Verhältnis zwischen Gewalt und Recht etc.), wenn die Ökonomie der Arbeit von anderen keinerlei Aufmerksamkeit erweckt, so liegt das nicht etwa daran, daß die Intelligenz oder die Reflexion weniger "fortgeschritten" waren, sondern daran, daß sich die Ökonomie der Arbeit von anderen noch nicht als unabhängiges, autonomes dem Rest der Gesellschaft, der menschlichen Aktivität (der Aktivität des bürgerlichen Industriellen) entgegengestelltes Moment gebildet hatte. Mit einem Wort, weil diese Aktivität noch nicht existierte. Die Ökonomie der Arbeit von anderen ist eine moderne und spezifische Ausbeutungsweise des Menschen durch den Menschen. Diese Aktivität taucht erst auf, wenn der Handel von der Ausbeutungssphäre Besitz ergreift und sich dieser selbst annimmt. Eine "wirkliche Analyse" der Ökonomie der Arbeit von anderen (eine Wissenschaft, die aufzeigt, wie man sich am schnellsten bereichern kann, sagt Engels) konnte erst mit dem XVII. und mehr noch dem XVIII. Jahrhundert, das heißt mit der Geburt der Lohnarbeit vorgenommen werden, die tatsächlich die Ökonomie der Arbeit von anderen zu einem tonangebenden Moment des sozialen Lebens erhoben. Und diese "wirkliche Analyse" gibt während dreier Jahrhunderte auch eine Aktivität ab, um aus dem bürgerlichen Denken und aus dem bürgerlichen Handeln ein etwas in letzter Instanz Bestimmendes zu machen, etwas Unsterbliches, etwas, das immer das letzte Wort haben muß. (Stalin wollte, wie sein grausiger Nachbar, aus der Ökonomie der Arbeit von anderen den in letzter Instanz bestimmenden Faktor für 1000 Jahre machen.) Erst heute, mit den neuen Anstrengungen der Massen sich als solche aufzuheben, wissen wir, was wir von dieser "wirklichen Analyse" zu halten haben. Diese "wirkliche Analyse" ist eine Praxis der herrschenden Klasse. Die Kategorien, mittels derer wir historisch denken, sind wirkliche Produkte der historischen Entwicklung, aber sie sind insbesondere die wesentlichen Momente dieser Entwicklung, das heißt, tatsächlich sowohl das wesentliche Instrument der Herrschaft eines Teils der Menschheit über den Rest der Menschheit als auch das wesentliche Moment der Aufhebung dieser Herrschaft. Die "wirkliche Analyse" der Ökonomie der Arbeit von anderen war wirklich die Herrschaft einer Idee und der Polizei dieser Idee: Idee der sich schämenden Herrschaft und Herrschaft einer sich schämenden Idee. Die politische Ökonomie ist die Geheimpolizei der Ideen.


15. Für die Bourgeoisie ist nur eine tote Idee eine gute Idee.

Es ist sicher, daß die Moral, das Recht, die Religion, die Metaphysik und die ganze restliche Ideologie, ebenso wie die Formen des Bewußtseins, die mit ihnen korrespondieren (das Bewußtsein ist die bürgerliche Version der Idee, die Idee, die man selbständig haben kann), nichts als falscher Schein, interessante Verkleidungen des Denkens und des wirklichen Handelns der Bourgeoisie sind. Das ist heute dermaßen bekannt, daß die Bourgeoisie es vorzieht, ihre Lüge zu modernisieren. Der Marxismus ist ihr neues Dogma. Sie strebt die ungeteilte, absolute Realität der Ökonomie an. Sie behauptet also, daß die Ökonomie die wirklich herrschende, in letzter Instanz entscheidende Handlungsbestimmende ist. Das ist richtig, aber nur und zwar nur darum, weil die Ökonomie das Handeln und Denken der herrschenden und in letzter Instanz entscheidenden Klasse ist. Und diese Klasse kann ihre Herrschaft nur in dem Maße fortsetzen, in dem sie zu verbergen weiß, daß ihre Lüge über die Herrschaft eine Lüge ist, in dem Maße, in dem sie verbergen kann, daß die Ökonomie bis auf ihre Realität als Handlung der Bourgeoisie, nichts weiter als ein Denken, nichts weiter als eine Weltanschauung und nicht die Realität der Welt ist. Die Ideologie ist schlechthin eine Lüge über die Herrschaft, das heißt, eine Lüge über das Denken, eine Lüge über die Ideologie, ein Denken, dessen einziges Ziel es ist, zu unterschlagen, daß es ein Denken ist. Das Denken Stalins ist nur so lange wahr, das heißt herrschend, wie es in der Lage ist zu unterschlagen, daß es ein Denken ist. Der Feind fürchtet nichts mehr als Ideen. Er fürchtet nichts mehr als die Macht der wahren Ideen, weil er täglich die Macht der falschen Ideen experimentiert. Unter allen Tabus, die die Herrschaft der Bourgeoisie erzeugt, ist das Denken selbst das zentrale Tabu. Es hat nur dann ein Existenzrecht, wenn es eine lächerliche und lügnerische Form - Religion, Recht, Moral und schließlich Ökonomie - annimmt. Wenn aber die Massen von ihm Besitz ergreifen, um es zu realisieren, dann wird es verfolgt.


16. Die einzige Realität für das bürgerliche Denken ist das bürgerliche Denken.

In Washington, in Moskau, in Peking ist die Ökonomie für das bürgerliche Denken, das heißt, im bürgerlichen Denken, die Realität der Welt. Für das bürgerliche Denken ist die Realität der Welt die Lüge der Bourgeoisie über die Herrschaft der Bourgeoisie. Für das bürgerliche Denken ist die im Kapital von Karl Marx beschriebene Welt, die wahre Welt. Doch die Welt ist auch etwas anderes und noch sehr viel mehr. Sie ist zunächst die die Lüge der Bourgeoisie über die Welt enthaltende Welt, eine Lüge, die tatsächlich und hauptsächlich eine Lüge der Bourgeoisie über die Bourgeoisie ist. Und selbstverständlich findet man keine Spur dieser Lüge in der Lüge der Bourgeoisie über die Welt, findet man keine Spur von Ökonomie in der Ökonomie, findet man keine Spur von Ökonomie, keine Spur der Sache selbst, im Kapital von Karl Marx. Und doch ist die Lüge der Bourgeoisie über die Welt kein unwesentliches, sondern im Gegenteil ein beträchtliches Detail dieser Welt, eine Lüge, die sich in allen Köpfen findet und dort wirkt, - (und die selbstverständlich nicht als Lüge, als Illusion, sondern als Wahrheit, als Realität wirkt), also etwas ausgesprochen mit Effektivität Begabtes. Mit anderen Worten: die Lüge der Bourgeoisie über die Welt errichtet nichts weniger, als ein weltweites System falscher Ideen über die Welt, eine Welt von falschen Ideen über die Welt, und die wirkliche Welt ist also nicht nur eine Welt, die eine Welt falscher Ideen über die Welt beinhaltet, sondern eine Welt, in der ein Phantom der Welt wirkt, eine Welt, die von einem Phantom der Welt determiniert ist.22 Die wirkliche Welt ist also nicht die im bürgerlichen Denken enthaltene, die im Kapital von Karl Marx enthaltene Welt, sondern eine Welt, die eine das bürgerliche Denken (oder das bolschewistische Denken, was das gleiche ist) beinhaltende Welt ist, die Welt, in der das bürgerliche Denken wirkt, die Welt, in der das bürgerliche Denken triumphiert, also auch eine Welt, die die für die Bourgeoisie unheilvollen Konsequenzen dieses Triumphes beinhaltet.23 Die Welt ist also mithin etwas ganz anderes, als das, von dem die Bourgeoisie behauptet, daß sie es wäre, denn die Konsequenzen des bürgerlichen Denkens und Handelns sind nicht einmal Bestandteile dieses Denkens und Handelns. Die Konsequenzen dieses Denken und Handelns sind nie die Realisation dieses Denkens und Handelns, sondern ganz im Gegenteil, ihre zunehmende Verunwirklichung, die Produktion dessen, was sie als Denken und Handeln verleugnet. Genau darin erweist sich das bürgerliche Denken als falsches Denken, als Denken, das sich nicht realisiert. Und genau darin wird die Wahrheit ihres Handelns - die Erhaltung ihrer Herrschaft über die Welt - mehr und mehr bedroht. Da liegt auch der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens: je mehr es versucht, sich mit der Realität zu identifizieren, umso mehr wird es das irreale Moment der Welt, umso mehr entzieht sich ihm die Realität. Die Realität? Das Elend der Proletarier! Was auch immer die Bourgeoisie unternimmt, um ihre Herrschaft zu erhalten, sie produziert nur noch mehr Elend, und zwar fundamental menschliches Elend. Das fundamental menschliche Elend ist im übrigen das einzig Wirkliche, was die Bourgeoisie produziert. Die große zivilisatorische Rolle der Bourgeoisie besteht in dieser Produktion eines fundamental menschlichen Elends. Die wirkliche Bedrohung für die Bourgeoisie ist diese unbegrenzte Produktion fundamental menschlichen Elends und nicht die immanenten Konsequenzen ihrer Herrschaft, die die sogenannten Wirtschaftskrisen sind. Die Welt ist die Konsequenz ihrer selbst und nicht nur die des bürgerlichen Handelns und Denkens. Die Welt selbst, alles Existierende, ist nicht etwa die letzte Instanz der Welt, sondern die einzige Instanz der Welt. "Weltgeschichte ist Weltgericht"24, (Malheur aux vaincus), auf gut französisch: "Wehe den Besiegten". Die Bourgeoisie stößt an eine historische Welt, sie stößt an die Totalität des Existierenden. Was sie nicht fassen kann und was sie beherrschen will, ist in Wirklichkeit eine historische Welt. Die Bourgeoisie will, und zwar zunächst sich selbst, glauben machen, daß die Welt, die sie nicht erfassen kann, lediglich eine ökonomische Welt, eine nätürliche Welt ist. All ihre Anstrengungen, eine als ökonomisch ausgegebene Welt zu beherrschen, haben keinen anderen Effekt, als diese Welt immer mehr als historische zu enthüllen, als eine Welt, die das Negative enthält.


17. Stalin, letzte Instanz der Welt, in der das bürgerliche Denken triumphiert.

Nirgends auf der Weit existiert so etwas wie Produktionsweisen, Produktionsverhältnisse, Produktivkräfte, ökonomische Bedingungen, Basis und Überbau, nirgends außer im bürgerlichen Denken. Wenn es auch in der Welt existiert, so nur deshalb, weil die Welt das bürgerliche Denken beinhaltet, weil das bürgerliche Denken in der Welt existiert. Das einzig wirklich ökonomische in der Welt ist das bürgerliche Denken und Handeln. Außerhalb des bürgerlichen Denkens und Handelns existiert nichts Ökonomisches in der Welt. Ironischerweise hat das, was alle die, die Stalin angebetet haben - und es insgeheim immer noch tun - für die grauenhaft berühmte Bestimmung in letzter Instanz gehalten haben, nur immer als Idee im Kopf des Chefs aller Polizeien existiert. Wie es Marx bei der preußischen Bürokratie so gut erkannt hatte, ist nichts so rein ideal, wie die bürokratische "Materie". Und nichts ist grauenhaft materieller als ihre "Ideen" in Sibirien oder Dachau. Die ökonomischen Krisen, die ökonomischen Widersprüche, das ökonomische System sind keine Krisen, keine Widersprüche, kein System der Welt, sondern nur Krisen, Widersprüche, ein System des bürgerlichen Denkens und Handelns. Die Krisen, die Widersprüche und das System der Welt sind wirklich etwas Grundverschiedenes und von völlig anderer Art, als es sich das bürgerliche Denken vorstellen kann. Seit ihrer Entstehung ist die Menschheit eine einzige und einzigartige Krise; die Krise der Publizität, die Entfremdung des Menschlichen, seine Realisation in den Dingen (Verdinglichung). Die Widersprüche der heutigen Welt, das sind zunächst das bürgerliche Denken und das bürgerliche Handeln, dieses Bemühen etwas Unrealisierbares zu realisieren: Geld zu realisieren, ohne es aufzuheben, oder es aufzuheben, ohne es zu realisieren. Als Weltwerden der Ware ist das System der Welt heute, durch eine 6000-jährige händlerische Bemühung, ein System der falschen Ideen über die Welt, eine Welt der falschen Ideen über die Welt, die Welt der materialisierten Ideologie, die Welt der falschen Ideen über die Ideen geworden.25 Was die Bourgeoisie Ökonomie nennt, ist in der Tat diese historische Welt, die dem Handeln und Denken der Bourgeoisie entgeht, aber für die Bourgeoisie ist die historische Welt eine feindliche und übernatürliche Welt, eben die feindliche und übernatürliche Welt, die sie immer den Wilden zugesprochen hat. Für die Bourgeoisie ist die historische Welt eine feindliche und beängstigende Welt, die sich all ihren Herrschaftsbemühungen entzieht, und die es unbedingt zu meistern gilt, indem man deren Gesetze enthüllt. Aber all ihre Bemühungen die Welt als Ökonomie zu betrachten und die Gesetze dieser Ökonomie festzusetzen, scheitern vollkommen. Die Wilden haben recht: die Welt ist voller Geist. Die positivistische Wissenschaft ist eine materialistische Zauberei, die den Geist beschwören will, die das Negative beschwören will. Ökonomie nennt die Bourgeoisie ihre eigene Ignoranz und Ohnmacht, die sie mit dem Flitterkram der Wissenschaft und der Macht kleidet. Ökonomie ist das - wie Manitou - vorausgesetzte Sein der Welt. Gewisse Akademiker möchten uns um jeden Preis nachweisen, daß die Ökonomie bei den Wilden nicht als Realität der Welt existiert, aber nur, um uns besser davon zu überzeugen, daß sie hier, als Realität unserer Welt, existiert. Doch der Grund, warum die Ökonomie bei den Wilden nicht die Realität der Welt sein kann, ist der, daß sie auch hier nicht die Realität der Welt ist. Hier ist die Ökonomie nichts als ein Moment der Realität, das irreale Moment, das Denken und das Handeln einer Klasse, die die Irrealität anstrebt, ein immer irrealeres Denken und Handeln, das mehr und mehr an die Totalität des Bestehenden stößt und dadurch das wahre Gesicht dieser Totalität enthüllt. Und der Grund, warum es bei den Wilden überhaupt keine Ökonomie gibt, weder als Kategorie der Totalität, noch als irgendeine andere Kategorie, ist ganz einfach der, daß es bei den Wilden weder Bourgeoisie noch Bürokraten gibt.


18. Hegel war nur mäßig Hegelianer

Es geht darum, immer gegen die Propaganda aufzutreten die will, daß die Entwicklung und die Formation der Gesellschaft mit dem Lauf der Natur und ihrer Geschichte assimiliert werden können, die also behauptet, daß die Entwicklung und Formation der Gesellschaft Gesetze kennen. Die Dialektik ist kein Gesetz. Die Dialektik ist die Intelligenz im sozialen Krieg, die Intelligenz des sozialen Krieges. Die Dialektik ist der Geist, der über die Menschen kommt.(!) Die Geschichte kann nicht gleichzeitig ein Mechanismus und ein Krieg sein. Der Bourgeoisie zufolge ist die Geschichte dann ein Krieg, wenn sie selbst siegt. Ansonsten ist sie Natur. Die Propaganda der Bourgeoisie, die Propaganda der Politischen Ökonomie will, daß die Geschichte natürlich ist, das heißt vor der Verneinung, vor allem Denken geschützt, das nicht das bürgerliche Denken ist. Die Bourgeoisie braucht diesen Schrecken vor einer natürlichen Welt, den sie so gern den Wilden verleiht, um sich zu beruhigen, um sich von ihrem Schrecken vor einer historischen Welt abzulenken. Sie hat es nötig, an die Wahnbilder zu glauben, die sie hervorruft. Der Krieg, den die Bourgeoisie führt, ist der Handel. Die Entfremdung ist dieser Krieg, der sich immer mehr auf feindliches Territorium vorwagt, das ist der Krieg, der den Aufstand der Partisanen überall da auslöst, wo er vorbeizieht. Die Entfremdung ist für den Handel, was die russischen Steppen für Napoleon waren. Die Ökonomie will die Gesetze dieser Welt studieren, denn sie hofft, daß ihr unerschütterlicher Ernst der Welt doch einmal imponieren und sie davon überzeugen wird, daß sie tatsächlich von Gesetzen regiert wird. Das einzige Gesetz der Welt lautet: "Wehe den Besiegten" (Malheur aux vaineus) - auf gut deutsch: Weltgeschichte ist Weltgericht26. Sicher, die Entfremdung ist diese Bewegung der Verallgemeinerung des bewußten menschlichen Handelns, die bewirkt, daß dieses Handeln bis zu dem Punkt natürlich wird, daß man in der von Darwin beschriebenen Welt die englische Gesellschaft aus der Zeit Ricardos mit ihrer Arbeitsteilung, ihrer Konkurrenz, ihrer Eroberung neuer Märkte, ihren Erfindungen und ihrem Existenzkampf wiedererkennt. Aber wir wissen immer besser, daß diese Natur voller Geist ist, daß der Mensch nur deshalb nicht mehr handeln kann, weil er handelt, nur deshalb nicht mehr denken kann, weil er denkt und je weniger er denken kann, um so weniger kann er handeln, um so mehr sehnt er sich nach Denken und Handeln und umso universeller sind das Denken und Handeln, nach denen er sich sehnt. In diesem Sinn hat Hegel einmal mehr Recht: die Natur ist ein Moment des Werdens der Idee; die Natur ist ein Moment des Werdens des bewußt menschlichen Handelns: das Moment, wo dieses bewußte Handeln unbewußt wird, das Moment, wo das eigentlich menschliche Denken und Handeln zum Besitz der Dinge wird. Das ist das Moment, wo die Dinge den Menschen nachahmen. Die Natur ist tatsächlich eine Nachahmung der Idee. Diese Welt ist irrsinnig hegelianisch. Was der Schwachkopf für Hegel'sches Delirium hält, erweist sich als ein extrem gemäßigter Vortrag, wenn man heute erst - endlich! - entdeckt, von welcher Welt Hegel 1807 gesprochen hat. Es handelt sich darum aufzuzeigen, daß die angeblichen materiellen "Existenzbedingungen" tatsächlich ausschließlich geistige Existenzbedingungen sind, daß das Denken das wesentliche Moment der Realität und im besonderen der Irrealität ist, das Moment, durch das die Realität real wird, also das eigentlich reale Moment der Realität, ein Prinzip, das allen Mächtigen und allen Polizisten durch die maßlose Anwendung von Einschüchterung, Lüge und falschen Ideen wohlbekannt ist.


19. Die Realität der Entfremdung ist die Realität dieser irrealen Welt.

Ebenso wie in der von der Bourgeoisie beherrschten Welt die schmierigste Nützlichkeitslehre sich zu dem irrsinnigsten Idealismus des Geldes gesellt, gesellt sich im bürgerlichen Denken der praktischste Voluntarismus zum theoretischen Fatalismus. Die waghalsigste Klasse der Geschichte ist die fatalistischste, wenn es gilt die Geschichte zu konzipieren. So bedauerlich es auch ist, daß Marx, selbst Meister der Partei des Bewußtseins, dem bürgerlichen Fatalismus erlag, ebenso bedauerlich ist es, daß die S.I., Meister des Kampfes gegen den Marxismus, ihm ihrerseits auch erliegt. Man kann in der Tat auf Seite 27 der "Wirklichen Spaltung in der Internationalen"27 lesen, daß "das Funktionieren des ökonomischen Systems den Weg der Selbstzerstörung beschritten hat". Aber nichts existiert als ökonomisches System außerhalb des bürgerlichen Denkens. Nichts existiert wirklich als ökonomisches System in der Welt, bis auf das System des bürgerlichen Denkens. Und daß das ökonomische System den Weg der Selbstzerstörung beschritten hat, bedeutet in Wirklichkeit, daß die Lüge, die ein derartiges System an Platz und Stelle der Realität postuliert, zur Selbstdenunziation geschritten ist, daß sie immer unhaltbarer wird und daß es ihr immer schwerer fällt, die Realität zu verbergen. Der bürgerliche Fatalismus ist die Behauptung, es gäbe auf der einen Seite einen Mechanismus, eine Fatalität, ein ökonomisches System, das den größten Teil der Realität ausmacht und auf der anderen Seite diese kleine, alberne Sache, - das Denken, das negierte Denken, das Proletariat, das Elend der Proletarier -, die in der Unregelmäßigkeit eines Systems ohne Denken ihre Ursache findet. Nur wenn der Mechanismus schlecht funktioniere, würden das Denken, die Hoffnung wie die Pilze nach dem Regen aus dem Boden schießen. In Wirklichkeit stellt das ökonomische System den größten Teil der Lüge über die Welt dar. Ja, es gibt tatsächlich eine Fatalität, aber nicht die, die uns die Bourgeoisie um jeden Preis aufschwätzen will. Die wirkliche Fatalität ist nur für die Bourgeoisie eine Fatalität: der Klassenkampf existiert, die Bourgeoisie muß um ihre Herrschaft und ihr Weiterbestehen kämpfen. Und dieser Kampf produziert das fundamentale Elend, produziert das Proletariat als fundamental unmenschliche Kondition der Proletarier.28 Darin steckt nun wirklich nichts Ökonomisches und vor allem nichts Mechanisches, bis auf die bürgerliche Leidenschaft nach Gold und Macht. Die Geschichte hat ausreichend gezeigt, daß jede sogenannte Wirtschaftskrise, das heißt, jede Krise des bürgerlichen Denkens und Handelns, die uns die Bourgeoisie mit Erfolg als Krise der Welt eintrichtert, vor allem ein Spektakel war; große Manöver, die es der Ware erlaubten, ihr weltweites Denksystem zu perfektionieren. Wenn man überhaupt vom "Funktionieren des ökonomisches Systems" reden kann, dann nur deshalb, weil das "ökonomische System" als Moment der Lüge der Bourgeoisie über die bürgerliche Herrschaft die Funktion hat, über die wirkliche Natur der Welt und der Krisen der Welt hinwegzulügen. Und es funktioniert wirklich dann am besten, wenn es scheinbar am schlechtesten funktioniert. Die Ökonomie, das heißt das Handeln und die Lüge über das Handeln der Bourgeoisie kann nur in einer Welt existieren, in der man an die ökonomische Realität glaubt, in einer Welt in der man an die Notwendigkeit der Bourgeoisie glaubt, in einer Welt in der man an die ökonomische Realität der Welt glaubt, wie man eben auch noch vor kurzem an die gottgewollte Realität der Welt und an die gottgewollte Notwendigkeit geglaubt hat. Die Kritik der Ökonomie ist die Voraussetzung aller Kritik. Wie der Sohn Gottes zur Kreuzigung bestimmt war, ist das ökonomische System zum schlechten Funktionieren bestimmt. Der wahre Fluch der Bourgeoisie liegt nicht in diesem spektakulären Fluch, dem das "ökonomische System" gewidmet ist, sondern darin, daß alle Bemühungen, glauben zu machen, es existiere, sich immer mehr als vergeblich erwiesen. Und es sind vor allem nicht die dem schlechten Funktionieren des "ökonomischen Systems" zuzuschreibenden Katastrophen, die die Proletarier dazu zwingen werden, das Denken zu suchen, das Rätsel ihres Elends zu lösen, denn der "ökonomische" Fluch ist gerade dazu da, eine bürgerliche Antwort auf dieses Rätsel zu liefern. Man findet etwas weiter auf Seite 30/1: "Der Kapitalismus hat schließlich den Beweis erbracht, daß er die Produktivkräfte nicht weiterentwickeln kann". Das ist sehr genau das, was der Kapitalismus "will". Er "will", daß man an die Existenz der "Produktivkräfte" wie an etwas Wirkliches glaubt. Läßt sich dieses Ziel besser erreichen, als indem man den Beweis seiner Unfähigkeit, die schon genannten mythischen Produktivkräfte weiterzuentwickeln, erbringt? Gibt es ein besseres Mittel, die Existenz des Einhorns zu beweisen, als wenn man seine Unfähigkeit, das Einhorn zu beherrschen, beweist? Gibt es eine bessere Art und Weise, die ökonomische Lüge nicht fundamental in Frage zu stellen, als immer wieder über die Zähmung der Produktivkräfte, über die Zähmung des Einhorns zu räsonieren, müßte man auch, um etwas glaubwürdiger zu wirken, die Existenz des Planeten aufs Spiel setzen. Gewiß, die Bourgeoisie ist nicht dazu fähig, all das vorsätzlich zu tun. Sonst wäre sie bewundernswert und verdiente es, mit Hingabe und Treue bedient zu werden. Aber tatsächlich nutzt sie diese Situation aus, solange wir sie nicht als falsch entlarven. Es existieren Kräfte in der Welt: die Kräfte, mit denen Physiker arbeiten und besonders eine wegen ihrer Starrheit furchtbare Kraft: die Kraft der bürgerlichen Klasse, die Kraft, die die Bourgeoisie entwickelt, um die Welt zu beherrschen und diese Herrschaft aufrecht zu erhalten und die Kräfte der Arbeiter, die sie ablenkt und korrumpiert, um dieses absurde Unternehmen durchzuführen. Aber nichts Wirkliches existiert auf der Welt als Produktivkraft. "Produktivkraft" ist eine, aus einem bürgerlichen Maul oder aus einem vom bürgerlichen Denken beherrschten Maul hervorgebrachte Lüge. Genauso verhält es sich auch mit dem ganzen Plunder der "Widersprüche" zwischen den Produktivkräften und den nicht weniger mythischen Produktionsverhältnissen. Aber das mythenhafteste dieser Verhältnisse ist noch das Kapital. Das Kapital ist alles, nur kein Produktionsverhältnis. Erstaunlich, wie kritiklos Marx diese Blase ergreift, die Smith und Ricardo ihm reichten: und daraus die wirkliche Charakteristik unserer Welt macht, besser als die Auguren der Bourgeoisie es sich hätten wünschen können. Selbstverständlich behaupten wir mit dem gleichen Marx, daß die wirkliche Charakteristik unserer Welt das fundamentale Elend des Proletariers ist. Man kann etwas weiter auf Seite 37 bezüglich der Akkumulation des Mülls auf unserem Planeten, bewirkt durch die Kümmerlichkeit des In-sich-Scheinens als Händler der Ware Welt lesen, daß "die bloße, unmittelbare Empfindung der ,Umweltsbeeinträchtigungen’ und Gefahren (...) schon einen ungeheuren Faktor der Revolte bilden, eine vitale Forderung der Ausgebeuteten, die ebenso materialistisch ist, wie es der Kampf der Arbeiter des XIX. Jahrhunderts für die Möglichkeit sich zu ernähren gewesen ist." Dieser materialistische Kampf und der "Materialismus", der seit hundert Jahren daraus hervorgeht, sind das ungewollte Werk der Bourgeoisie. Während Marx darin zu unrecht sah, was die Bourgeoisie vernichten sollte, schaffte sie den wesentlichen Faktor ihrer Aufrechterhaltung. Gerade indem er dem Arbeiter die bloße tierische Befriedigung des Schlafens und Trinkens absprach, machte der Ausbeuter daraus ein Recht, eine Idee, etwas Humanes, etwas Soziales (Marx: Schlafen wie ein Tier in einem Loch ist etwas Soziales geworden, da das menschliche Tier dafür bezahlen muß). So flößte der Bourgeois dem Arbeiter seine ekelhafte Nützlichkeitslehre ein. Wie es die Geschichte und besonders Marx bezeugen, war die zentrale Frage der Humanität im Kampf der Arbeiter niemals abwesend, aber ebenso wie 1968 hat diese Frage, obgleich unbesiegt, selbst nicht gesiegt. Diese unübertreffliche, aber ungewollte List hat bewirkt, daß der Kampf der Arbeiter tatsächlich in der Theorie und in der Praxis materialistisch war und es hundert Jahre lang blieb, nachdem die Bourgeoisie diesen unverhofften Gewinn erfaßt hatte. Dieser Materialismus ist es, der heute in der ganzen Welt triumphiert, mit der bösen Ökonomie, die nichts zum Essen geben will, auf der einen Seite und auf der anderen Seite den lieben Arbeitern, die zu essen haben wollen. Aber die böse Ökonomie wird an dem Tag schwer gestraft werden, an dem sie sich blockiert und die Arbeiter revoltieren. Das ist die Trigano29-Version des Klassenkampfes. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß ein "Faktor", so immens er auch immer sein mag - hier die Totalität, die schlagartig als Bedrohung für die Totalität an die spektakuläre Tagesordnung kommt - eine Revolte "auslösen" kann, die fähig ist, mit der Ware fertig zu werden, wenn er nicht zentral, wesentlich, wirklich falsch ist30. So groß sein Ausmaß auch immer sein mag, wenn dieser Faktor etwas Vereinzeltes bleibt, ein Detail, in Hinblick auf die zentrale Frage etwas ebenso Vereinzeltes wie das, für das die Arbeiter des XIX. Jahrhunderts zu kämpfen gezwungen waren, so kann er nichts als ein Nebel sein, ebenso ungewollt wie der von Austerlitz31, aber auch ebenso günstig für den Feind, wenn keine Sonne des Wesentlichen ihn rechtzeitig auflöst. Die Frage der praktischen Realisation des Denkens ist nicht vom Ausgang des Müllkriegs abhängig, sondern vom wahren Verhängnis des bürgerlichen Denkens. Der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens ist nun wirklich etwas anderes als die Akkumulation des Mülls auf der Erde: was immer das bürgerliche Denken unternimmt, um zu verbergen, daß es ein Denken ist, was auch immer es unternimmt, um sein Handeln als verbissenen Kampf ums Weiterbestehen zu verbergen, was auch immer es unternimmt, um die wesentliche Rolle der Ideen in den menschlichen Angelegenheiten zu verbergen, es führt diese Rolle ad absurdum und erweckt auf diese Weise entgegen seiner Absicht das, was wirklich für die Menschheit auf dem Spiel steht. Und eher, als daß die praktische Realisation des Denkens von einem "guten" oder "schlechten" Ausgang des Müllkriegs abhängt, ist dieser Ausgang von der praktischen Realisation des Denkens abhängig. Wenn einmal mehr nicht die praktische Realisation des Denkens, sondern das Spektakel der Schwierigkeiten der Ware triumphiert, wäre das ein neues Unheil für die Menschheit, ein neues Unheil, das dieses Mal, nicht mehr und nicht weniger als alle anderen Male, die wesentliche Revolte nicht nähren könnte, welche nur einen wesentlichen Ursprung haben kann: sich selbst. Wir gehen von einer einmal gefaßten Haltung aus. Hegel, Marx, die S.I. beginnen heute augenscheinlich recht zu haben: die Entfremdung des Geistes ist die wirkliche Bewegung der Welt. Der Geist ist das wesentlich menschliche Produkt des Menschen. Und der seiner wesentlich menschlichen Produktion beraubte Mensch ist der des Geistes beraubte Mensch. Der seiner Welt beraubte menschliche Produzent ist ein der Welt des Geistes beraubter Produzent. Nur weil der Proletarier ein des Geistes beraubter Mensch ist, ist der Proletarier ein Mensch, der dazu gezwungen ist, den Geist zu suchen. Keine Vorenthaltung von Essen, keine Vorenthaltung von Luft oder Ruhe, keine "materiellen" Zwänge können ihn dazu zwingen, das Denken zu suchen. Nur die realisierte Vorenthaltung des Denkens ist dazu fähig. Die realisierte Vorenthaltung? Die Vorenthaltung eines realisierten Denkens, eines existierenden Denkens. Dieses existierende und universell handelnde Denken ist die Ware. Der Proletarier, dieses des Essens, der Luft und der Ruhe beraubte Packtier, ist zutiefst dieser, des Denkens beraubte, Mensch. Das Sein des Proletariers ist für den Proletarier sehr genau die Vorenthaltung jeden sozialen Seins, das heißt jeder Praxis des Denkens (das Denken ist praktisch oder es ist es nicht, das Denken ist das wesentliche Moment der sozialen Praxis) und ausschließlich dieses ganz besondere Sein vermag die Proletarier dazu zu zwingen, das Denken zu suchen. Nur der Geist kann den Geist erzeugen, nur der Geist kann auf den Geist wirken, nur die realisierte (praktisch realisierte) Abwesenheit des Geistes kann Geist erzeugen. In diesem Punkt sind wir, was auch immer es kosten mag, von streng hegelianischer Obedienz: der Geist kann nichts Bedingtes sein, die Freiheit kann nur sich selbst zum Ursprung haben, oder aber nur der Geist selbst, nur der sich als seine eigene Bedingung objektivierende Geist, nur der entfremdete Geist, nur der weltgewordene Geist kann den Geist bedingen. Eine Welt, in der das universell handelnde die universelle Abwesenheit des Geistes ist, ist eine Welt, in der der universelle Geist schon handelt. Heil Hegel!


20. Der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens.

Die Ökonomie ist der sichtbare Teil der Ware, der sichtbare Teil einer Welt, in der es die Dinge sind, die die Humanität praktizieren, die den universellen Austausch mittels der Menschen praktizieren. Der wirkliche Teil dieser Welt ist nicht der sichtbare, sondern der unsichtbare Teil.32 Die Realität ist in dieser Welt nicht das vorteilheischende Geschwätz der Waren, sondern das Schweigen der Menschen. Ebenso ist in dieser Welt das Wahre nur ein Teil des Falschen. Die Ökonomie ist nichts anderes, als das Spektakel der bürgerlichen Abenteuer der Welt. Es ist das Ziel der Bourgeoisie, die Welt auf ihren einzigen sichtbaren und unwirklichen Teil zu reduzieren. Sie will die Massen mit dem Spektakel ihrer Abenteuer begeistern. Die Wirtschaftskrise ist nichts anderes als das Spektakel der Unzufriedenheit der Besitzer dieser Welt. Sie sind mit der Welt unzufrieden und lassen sie es wissen. Da es immer klarer wird, daß das rein menschliche Elend das wirkliche Moment der Welt ist, versucht die Bourgeoisie, indem sie das Spektakel ihrer eigenen Unglücksfälle (und nicht des Leidens der Welt) vorspielt, die ökonomische Realität der Welt durch diesen Sophismus nachzuweisen: gerade daß das ökonomische Handeln der Bourgeoisie die Welt nicht beherrschen kann, ist Beweis dafür, daß die Realität der Welt ökonomisch ist und die Beherrschung dieser Realität eine Verstärkung des ökonomischen Handelns der Bourgeoisie verlangt33. Die ökonomische Realität der Welt und die Schwierigkeiten, die die Bourgeoisie, das Geld, der Staat haben, sie zu beherrschen, sind eben gerade der Beweis für ihre Notwendigkeit. Wer könnte denn auch sonst das beherrschen, was die Bourgeoisie mit solch großen Mitteln nicht beherrschen kann? Die Bourgeoisie zieht eine neue Kraft aus dem Spektakel ihrer Ohnmacht und Ignoranz! Je mehr sich ihr Denken und Handeln als ohnmächtig erweisen, umso mehr erweist es sich als notwendig. Es erscheint heute immer klarer, nicht nur, daß keine Krise des Handelns und Denkens der Bourgeoisie eine wirkliche Revolution der Welt auslösen kann (obwohl diese Krisen vollkommen dazu in der Lage sind, die wirkliche Zerstörung der Welt auszulösen), sondern auch, daß die ökonomische Krise die beste Waffe der Bourgeoisie ist, ihren wirklichen Fluch, die wirkliche Grenze der Ware zu verbergen. Die wirkliche Krise der Welt ist die Entfremdung. Die Entfremdung ist das wirkliche Leiden der Welt. Die Entfremdung ist auch der wirkliche Fluch der Bourgeoisie und die wirkliche Grenze der Ware. Während die Bourgeoisie der Krise ihres Handelns immer eine neue Handlung gegenüberstellen kann (außer wenn sie zwischenzeitlich den Planeten zerstört) kann sie der Entfremdung, die wirklich durch ihr Handeln produziert wird, niemals irgendetwas gegenüberstellen. Die Entfremdung ist die wirkliche Konsequenz ihres Handelns und diese Konsequenz ist kein Teil ihres Handelns. Die Bourgeoisie kann ihr nur das Spektakel der Krisen ihres Handelns gegenüber stellen, eine Ablenkung, ein Handeln auf einem anderen Gebiet, eine verzögernde Handlung. Sie kann nur einmal mehr die Aufmerksamkeit ein wenig von ihrem wirklichen Fluch, der auch das wirkliche Leiden der Welt ist, ablenken. Der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens ist es, daß die händlerischen Beziehungen, die Waren, das totale Fehlen der menschlichen Beziehungen bedeutet. Die menschlichen Beziehungen sind in der Entfremdung nicht inexistent, sie sind abwesend. Sie sind realisiert, sie sind universell realisiert, aber nur als Aktivität der Dinge, als Spektakel. Ebenso ist die Ohnmacht des bürgerlichen Denkens und Handelns nicht ihre Ohnmacht, ein "ökonomisches System", die weltweite Müllabfuhr und -produktion zu beherrschen. Ganz im Gegenteil ist jene Ohnmacht das Spektakel ihrer Ohnmacht, die über ihre wirkliche Ohnmacht organisierte Lüge. Die wirkliche Ohnmacht des bürgerlichen Denkens und Handelns ist seine Ohnmacht, die Welt zu humanisieren, seine Ohnmacht, nicht immer mehr - und das ist seine wirkliche Produktion - Unmenschlichkeit zu produzieren, seine Ohnmacht zu verhindern, daß es immer mehr Waren, das heißt immer mehr, nicht die Inexistenz der menschlichen Beziehungen, sondern die Abwesenheit der menschlichen Beziehungen, das Spektakel der menschlichen Beziehungen, als wirkliche Beziehung zwischen den Dingen produziert. Die wirkliche Ohnmacht der Bourgeoisie liegt darin, ihre Ohnmacht zu verhindern, liegt darin, daß die menschlichen Beziehungen immer mehr in die Dinge abwandern und sich dadurch als weltweites Spektakel der Welt, universelles Spektakel der Universalität verallgemeinern. Der Feind hat seinen Rußlandfeldzug begonnen. Er wagt sich immer weiter in die öden Steppen des absoluten Idealismus vor, immer weiter von seiner materiellen Basis entfernt. Überall wo er vorbeizieht, ruft er einen nie gekannten Realitätshunger hervor. Der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens ist auch die wahre Grenze der Ware. Die wahre Grenze der Ware ist das Proletariat. Das Proletariat, das immer mehr das wahre Proletariat wird, immer wahrer als Proletariat, immer mehr die wahre Negation des Denkens, die wahre Negation der Humanität. Das Proletariat ist der wahre Fluch des bürgerlichen Denkens. Das Proletariat ist die immer fundamentaler inhumane Kondition der Proletarier. Die wahre Grenze der Ware ist die Ware selbst, als Weltwerden der Ware. Das Proletariat ist die Ware, die aus einem fundamentalen Grund unhaltbar geworden ist, die unhaltbar gewordene Ware, weil sie Ware ist. Die wahre Grenze der Ware ist die Unzufriedenheit des Proletariers. Nicht etwa die mystifizierte Unzufriedenheit des Dussels der Basis, der wegen einer schlechten Müllabfuhr, wegen der Gefahren, denen der bereits erwähnte Müll seiner Gattung von Kellerasseln aussetzt, klagt und sich scheinbar mit seiner Lage als Kellerassel zufriedengibt, sondern die fundamentale Unzufriedenheit des Proletariers, des Menschen, der weiß, daß er Proletarier ist, des Proletariers, der sich empört, weil man ihm die Humanität bewußt abspricht, der mit der Ware unzufriedene Proletarier, der mit dem Proletariat unzufriedene Proletarier. Man begreift sehr gut, daß die Bourgeoisie gegenüber diesem einzigen, zentralen, universellen Grund, diese Welt absolut unbewohnbar machen will, aus einer Masse von Detailgründen, die "ökonomischen" Gründe inbegriffen, die niemals etwas anderes sind, als eine Art und Weise, die Totalität als ein Detail zu betrachten. Und daß sie dann vorgibt, dem durch neue Details, durch "gute" Waren (die "gute" Ware ist das Schlachtroß des Staats-Vaneigemismus) abhelfen zu können. Die Aufhebung der Entfremdung, die Realisation des Reichtums, die Realisation der Ware folgen keinem anderen Weg, als dem der Entfremdung. Alles, was von diesem Weg abweicht, alles, was uns dazu anhält, von diesem Weg abzuweichen - das Spektakel der Unglücksfälle der Bourgeoisie beispielsweise - ist Faktor der Barbarei, reiner, den Proletarier von seinem fundamentalen Elend ablenkender Faktor. Nach zwei Jahrhunderten sozialen Krieges ist der Feind zum Meister des verzögernden Handelns geworden. Vor der immer perfekter werdenden Realisation des wahren Elends des wesentlichen menschlichen Elends, der ausdrücklichen Vorenthaltung der Humanität, kann der Feind nur ein Rückzugsgefecht liefern, er kann nur versuchen, uns vom Weg der Entfremdung abzubringen er kann nur versuchen, die Masse der Proletarier mit neuen Spektakeln und neuen, immer weltweiteren Inszenierungen abzulenken.




II. Confidential Report


1. Eine skandalöse Verwechslung.

Der Wert ist kein Gesetz. Er hat auch kein Gesetz. Der Wert ist keine "Sphäre". Es gibt keine Sphäre des Wertes. Der Wert ist keine Substanz. Er hat auch keine Substanz. Wert kann man weder additionieren noch subtrahieren. Den Wert als das Verhältnis, in dem die Arbeitsprodukte sich austauschen, anzusehen, könnte als ein Fortschritt gegenüber dem Denken erscheinen, das aus dem Wert eine Substanz macht, die diesen Produkten innewohnen würde. Aber das ist trotzdem ein skandalöser Irrtum, denn der Wert ist nicht das Verhältnis, in dem die Arbeitsprodukte sich austauschen. Das Verhältnis, in dem die Arbeitsprodukte sich austauschen, ist der Austausch selbst! Der Wert ist nur die Idee dieses Verhältnisses. Wert besitzen heißt für ein Ding, sich mit der Fähigkeit zu denken auszutauschen. Die Dinge besitzen Wert, die Dinge tauschen sich mit der Fähigkeit zu denken selbst aus, die Dinge denken; und das ist ein Verhängnis. Da sich in unseren zivilisierten Gegenden das Denken in den Dingen, in den Tauschobjekten aufhält, ist der Austausch selbst, die menschliche Handlung par excellence, eine ihres Denkens beraubte Handlung34. Schließlich ist es ein Skandal und ein weiteres Verhängnis, daß man in der Theorie so lange die Idee des Dinges mit dem Ding selbst, die Idee des Verhältnisses mit dem Verhältnis selbst verwechselt hat35. Das Geld und der Staat haben uns noch unfähiger und beschränkter gemacht, als Marx es sich vorstellen konnte. Wir verstehen nicht einmal die Sprache unserer Objekte.


2. Mana.

Der Wert ist die Fähigkeit der Arbeitsprodukte, sich ohne jedes menschliche Eingreifen mit Denken begabt auszutauschen. Das Wort Wert bezeichnet genauestens dieses unmenschliche Denken und nichts anderes. Man könnte sich vorstellen, daß es wenigstens dem Tauschhändler zukommt, dieses Denken zu ratifizieren, dieses Denken zu realisieren. Nicht einmal dem. Wieder ist es ein Ding, das allein die Macht besitzt, das Denken der Dinge zu realisieren. Dieses Ding ist das Geld, das Geld, das der Tauschende hat oder nicht hat. Dieses Ding setzt absolut kein individuelles Verhältnis mit seinem Besitzer voraus, sein Besitz entwickelt keine wesentliche Qualität seiner Individualität. Sein Besitzer ist lediglich Geldträger. Ebenso wie es nicht mehr in seiner Macht steht, zu denken, ebenso steht es nicht mehr in seiner Macht, das Denken zu realisieren. Der eingeborene Beobachter ist so beschränkt und borniert, er hat dermaßen vergessen, was eine soziale Handlung, die praktische Erkenntnis, das eigentlich menschliche Handeln ist, er ist dermaßen in den Nouvel Observateur36 vertieft, daß er nicht einmal mehr bemerken kann, - um sich darüber zu empören - daß das, was eigentlich Humanität ausmacht, in seiner Welt Besitz und Handeln der Dinge sind. Der eingeborene Beobachter ist so bar jeden Geistes, daß er selbstverständlich nicht bemerken kann, daß es in unseren zivilisierten Gegenden genügt, eine kleine Metallscheibe oder einen kleinen Papierzettel aus der Tasche zu nehmen, unter Umständen sogar nur etwas auf das Papier zu kritzeln, um auszutauschen, ohne die Lippen auseinanderzubringen. Man stelle sich sein Staunen vor dem Gegensatz zwischen der Stummheit der Bewohner dieser seltsamen Gegenden und dem unabläßlichen Geschwätz der Waren vor! Sein Erstaunen und seine Empörung, da in seinem Land der minutiöse Tausch kula bis zu drei Wochen Schwätzerei erfordert, nach einer Expedition auf hohem Meer, die einen Monat dauern kann und einer Vorbereitung, die mehrere dauert. Das Ganze in einer Orgie von Schwätzerei. In unseren Ländern, der Heimat der Langeweile, sind die Objekte vor-ausgetauscht. Jeder mögliche Austausch ist schon im Denken realisiert und dieses Denken ist nicht mehr das Erbe, die edle Tradition eines Volkes, sondern das Erbe und die Tradition eines Volkes, sondern das Erbe und die Tradition der Dinge. Ebenso ist die Realisierung dieses Denkens nicht mehr das Handeln eines Häuptlings von edler Abstammung, dessen individuelle Qualitäten, Kühnheit, Geschicklichkeit, Schönheit Verführungsvermögen zu recht renommiert sind. Diese Realisation kommt durch eine Sache zustande. Denken und Handeln sind Besitz der Arbeitsprodukte selbst, Denken und Handeln sind Fähigkeiten der Dinge. "Wert" ist das Wort, das das Magische an der Ware bezeichnet. "Wert" bezeichnet die wirksame soziale praktische Abstraktion - die ansonsten edles, menschliches Handeln ist - von allem Besonderen in den Arbeitsprodukten. Diese wirkliche Abstraktion, dieses mysteriöse Handeln ist Besitz der Arbeitsprodukte. Die Produkte haben Wert. Die Produkte haben mana. Sie haben diese wundersame Eigenschaft, selbst von ihrem Besonderen zu abstrahieren, sie haben die Macht, selbst das Allgemeine, die Aufhebung des Besonderen zu produzieren, eine edle Macht, die bis dahin dem Austausch der Menschen unter sich vorbehalten war. Selbstverständlich wissen wir als zivilisierte Menschen, die wir sind, daß all dem nichts Ernsthaftes anhaftet, daß all dies nur eine Sinnestäuschung, eine Illusion ist. Wir wissen, daß es nicht die Arbeitsprodukte sind, die selbst ihr Besonderes aufheben, die selbst von ihrer Verschiedenheit abstrahieren. Aber wir wissen auch nicht mehr zu sagen, wer oder was diese Abstraktion vornimmt, wie die Melanesen nicht in der Lage sind zu sagen, wer oder was mana, diese wirkliche Eigenschaft der Dinge offenbart. Jedermann weiß sehr gut, daß er es nicht ist, weil er all das schon vollzogen auf dem Markt vorfindet. Er findet auf dem Markt das schon mit der Fähigkeit zu denken ausgetauschte Produkt, verschieden und identisch zugleich vor. Der Übergang vom Verschiedenen, der Schein, ist eine Eigenschaft der Dinge selbst. Auf dem Markt ist das Denken eine Fähigkeit der Objekte. "Wert" ist der diesem Denken der Dinge gegebene Name37. Desgleichen vollzieht sich der Austausch, dieses praktische Verhältnis par excellence in unserer magischen Welt nicht durch den Willen, die Wissenschaft, das Denken, das jahrtausendealte Wissen, die edle Tradition der Tauschenden, sondern weil die Objekte des Austausches austauschbar sind. In der Natur des Marktes wachsen die Äpfel, seltsame Hesperiden, austauschbar. In der Welt der Ware liegt es in der Natur der Objekte, Geist zu haben, von Natur aus reiner Schein zu sein, ebenso wie es in der Welt der Physik in der Natur der Dinge liegt, eine Masse zu haben (oder nicht zu haben). Der Tauschende (der Mensch) ist nichts anderes mehr als ein Warenträger, (Hallo Träger!) weil die Waren, wie Marx sinnvoll bemerkt, noch nicht alleine zum Markt gehen können (das wird nicht lange auf sich warten lassen).


3. Woran denken die Waren?

All dies macht uns endlich verständlich, was die Ware ist: ein Arbeitsprodukt, das selbst, mit der Fähigkeit zu denken, den Austausch vollzieht, ein Arbeitsprodukt, das selbst die Abstraktion von allem, was sich dem Austausch widersetzen könnte, vornimmt, ein mit Geist begabtes Arbeitsprodukt, ein vor-ausgetauschtes Arbeitsprodukt. "Wert" bezeichnet nichts anderes als ein Objekt, das denkt und spricht. Manche singen und tanzen, machen "pschitt"38 oder sprudeln, nutzen sich nur ab, wenn man sich ihrer bedient, aber alle sagen im Grunde, nur von diesem vordergründigen Geschwätz übertönt (man sieht nichts anderes, es ist dazu da, damit man es nur sieht): "Ich bin nur scheinbar Brot, Wein, Essen, Baumwolle." Tatsächlich ist das, was sie sagen, noch weitaus fundamentaler, noch weitaus allgemeiner. Sie sagen: "Ich bin nur scheinbar Brot, Wein, etc ... In Wahrheit bin ich 3 Franc". Woran denken die Waren? An das Geld. Das Geld ist eine Idee, die in allen Waren ist. Als Ware hat das Arbeitsprodukt keine einfache Bestimmung.39 Es erwirbt eine von seinen besonderen Eigenschaften abgetrennte Eigenschaft, es wird die Idee eines Verhältnisses allgemeinen Charakters, in Bezug nicht nur auf ein anderes Produkt, sondern in Bezug auf alle möglichen Produkte. Der Wert - das Denken der Ware - enthüllt also das Objekt dieses Denkens. Der Wert ist nicht das Denken irgendeines Austausches. Er ist das Denken des Austausches mit Geld, das Denken des Austausches mit dem, was nicht nur selbst Idee des Austausches mit allem Existierenden ist, sondern die Realisation dieser Idee. Das Geld ist keine gewöhnliche Ware, es ist eine Ware, die sowohl die Idee des Austausches als auch die Realisation dieser Idee beinhaltet. Das ist die hochphilosophische Definition der Substanz: das, was die Existenz mit der Effektivität verbindet. Das Geld ist die existierende Substanz. Das Geld ist wirklich der Gott, nicht nur der Juden, sondern dieser Welt. So denken die Waren an das Wirkliche, an alles Existierende, an die Substanz. Der Wert ist die Idee der Substanz. Der Wert ist nichts anderes als die Rede der Ware und diese Rede ist eine Enzyklopädie. Die Ware erzählt uns unablässig von allem Existierenden, wie uns Marco Polo in früheren Zeiten von dem erzählte, was in China existierte. Folglich ist die Ware wesentlich spektakulär: vor den Augen des verblüfften Menschen entwickelt sich, ohne daß er daran teilnehmen kann, die wesentliche Humanität. Das moderne Spektakel ist das Weltwerden der Ware, die Substanzialisierung der Welt. Das Spektakel ist in der Tat die materialisierte Religion. Die Welt hat von nun an eine wirkliche und nicht nur eine göttliche Substanz. Das, was ursprünglich noch unbemerkt bleiben konnte - eben weil es selbständig handelt und sich entwickelt - hat den ganzen Raum besetzt und keinen Platz verschont, wo man hinblicken könnte, ohne die Ware am Werk anzutreffen.


4. Endlich die Wahrheit in einer undurchsichtigen Angelegenheit.

Hier endlich wahrheitsgemäß dargestellt die Theorie des Fetischismus der Ware, deren Enthüllung unbestreitbar Marx zukommt wie auch einigen Poeten, darunter Shakespeare, Goethe und Hegel. Und man begreift vollkommen, warum Marx seine Enthüllung nicht ausnutzen konnte: er hat dieses abstrakte, für die Analyse der Humanität oder der Abwesenheit der Humanität wesentliche Moment, den der Austausch darstellt, außer acht gelassen. Und man begreift, warum er es mit den klassischen Ökonomen (Ricardo weniger als Marx und Smith weniger als Ricardo; man begreift auch das Warum dieser immer methodischer gewordenen Unterlassungen) außer acht gelassen hat. Einfach, weil die Entwicklung der Ware aus dem Austausch, diesem edlen, menschlichen Handeln, ein Handeln der Dinge gemacht hat. Und daß Marx, sich mit diesem menschlichen Handeln befassend (der Beweis ad hominem), nicht die geringste Chance hatte, dieses dermaßen wesentliche Moment zu finden und zwar aus dem einfachen Grund, weil es nicht mehr da war, weil es in die Dinge emigriert war. Man mußte bis heute warten, wo diese Abwesenheit dermaßen groß, vollendet worden ist, diese Abwesenheit eine derartige Leere produziert hat (die Abwesenheit ist eine Leere, was die Inexistenz nicht ist: die Leere existiert, im Gegensatz zur Inexistenz, die per definitionem nicht existiert), damit du, Bürger Leser, die folgenden Zeilen lesen kannst und sie ohne den Schatten eines Zögerns an deine persönliche Erfahrung annähern kannst. Man begreift gleichzeitig, warum Marx aus der Arbeit das menschliche Wesen gemacht hat. Die Arbeit ist alles, was uns unglücklichen Kreaturen die wir geworden sind, geblieben ist. Die Dinge tauschen aus, und der Mensch arbeitet. Und schlimmer: die Arbeit, auf welche die unglückliche Kreatur reduziert ist, ist nicht einmal mehr die bestialische und beschränkte Arbeit: jagen, weiden, wiederkäuen etc., sondern die abstrakte Arbeit, die vor-aufgehobene Arbeit, die, bevor sie zu existieren beginnt, aufgehobene Arbeit, die Arbeit, der ihre eigene Aufhebung nicht gehört: die Lohnarbeit. So entspricht den vor-ausgetauschten Arbeitsprodukten die voraufgehobene Arbeit. Marx hat eine fetischistische Theorie des Fetischismus geschaffen. In dem Moment, da die Massen in ihrer Anstrengung sich aufzuheben besiegt werden, bekommt Marx Angst vor Wörtern. Er verliert die einzige Maxime der Theorie aus den Augen: "Nichts ist zu hegelianisch für die Erben der Kunst und der Philosophie". Marx sagt im Kapital: "Wenn die Waren sprechen könnten ...", wo sie doch nichts anderes tun. Sie haben alles Denken und das Wortergreifen - auf Kosten des Denkens und Schwätzens der Menschen - beschlagnahmt. Dies zeigt deutlich, wie Marx der Realität den Rücken zukehrt. Er urteilt, daß die Realität zu viel Geist für die besiegten Arbeiter hätte und daß man sie ihnen deshalb schön materialistisch, schön vernünftig, schön ökonomisch und voller groben, gutbürgerlichen Volksempfindens servieren müsse und dennoch eine Version, in der die Dinge von allein gehen, da die Arbeiter sich als unfähig erwiesen haben, selbst über ihre Feinde zu triumphieren, eine Realität also, in der Weltgericht Lenin, Trotzki, Stalin heißt. Das Marx'sche Denken ist von diesem Moment an vom Widerspruch des ökonomischen Denkens geprägt: das Denken ist tabu und die Dinge gehen von allein. Indes, einmal diese konditionierende Einschränkung "wenn die Dinge reden könnten" gestellt, würden sie Marx zufolge sagen: "Was uns angeht, ist unser Wert, unser Verhältnis zwischen uns als Dingen", (Man muß sagen: "die Idee unseres Verhältnisses") und weiter: "Der Wert realisiert sich nur im Austausch, das heißt, in einem sozialen Verhältnis". Realisiert sich nun! Das besagt ja schon, daß der Wert nur die Idee dieses Verhältnisses ist (man müßte auch sagen: "In dem sozialen Verhältnis"). Wo hatte Marx nur seinen Kopf? Da, wo die besiegten Arbeiter seiner Epoche ihren Kopf hatten. Es gilt, alle Termini der fetischistischen Theorie des Fetischismus der Ware umzukehren: 1. Nicht die Arbeit ist wertschaffend, sondern der Handel, dieses jahrtausendealte Handeln der Händler in ihrem Bemühen, jeder für sich, Geld zu realisieren. Der Wert ist keine Substanz und hat keine Substanz. Aussprüche wie: "die Arbeit, das wertschaffende Handeln" und "die Arbeit, Substanz des Wertes" sind absolut sinnlos. 2. Nicht der Wert hängt von der abstrakten Arbeit ab, sondern die historische und jahrtausendealte Einrichtung des Wertes als Denken der Dinge, die es, eines Tages, einer handvoll unternehmerischer Menschen ermöglicht, die abstrakte Arbeit, die Arbeit, von der sie abstrahieren können, zu schaffen. 3) Die Entfremdung ist nicht die Entfremdung der Arbeit, dieses allen Tieren gemeinsame Handeln, sondern die Entfremdung des wesentlichen menschlichen Handelns (des Austausches) und die Entfremdung dessen, was sich in diesem Handeln entfremden kann: die Entfremdung der Idee des Austausches. Je allgemeiner und universeller der Austausch wird, umso mehr wird er zur Sache der Dinge, umso mehr wird der Mensch zum einfachen Zuschauer des menschlichen Handelns der Dinge.


5. Der Handel ist wirkliche, wertschaffende Aktivität.

Marx kommt das ungewollte Verdienst zu, die Zweideutigkeit der klassischen Politischen Ökonomie in die Enge, in ihre letzten unhaltbaren Schlupfwinkel getrieben zu haben. Marx kommt das ungewollte Verdienst zu, unsere magische Welt um einen Fetisch mehr bereichert zu haben, indem er aus der abstrakten Arbeit etwas Handlungsbestimmendes im Greuel des Wertes gemacht hat, indem er nämlich "die Arbeit als wertschaffende Aktivität" betrachtet. Die armselige Arbeit ist unfähig, sei es was auch immer zu schaffen und besonders nicht dieses skandalöse soziale Ding: den Wert. Zunächst einmal ist dieser Ausdruck ungenau, da er aus dem Wert eine Substanz, eine Größe macht. Er macht aus dem Wert eine Dimension der Dinge, der Länge, der Masse gleichgestellt, oder gar eine Größe, deren Dimension dann die Zeit wäre. Aber Wert kann man weder additionieren noch subtrahieren. "Addition des Wertes" oder "Subtraktion des Wertes" sind vollkommen sinnleere Ausdrücke40. Wenn ich sage, daß ein Arbeitsprodukt sich einbildet, daß es sich gegen 50 Franc austauschen kann (der Wert ist nichts anderes als diese Einbildung der Arbeitsprodukte) und ein anderes sich einbildet, sich gegen 75 Franc austauschen zu können, so kann ich daraus nicht folgern, daß eines mehr Einbildungsvermögen als das andere hat. Gerade diesen Sophismus begehe ich, wenn ich aus der Tatsache, daß ein Arbeitsprodukt 50 Franc und ein anderes 75 Franc wert ist, schließe, daß eines mehr als das andere wert ist, daß eines mehr Einbildungsvermögen als das andere hat. Behaupten, daß ein Arbeitsprodukt fünfzig Franc wert ist, heißt behaupten, daß ein Arbeitsprodukt sich einbildet, daß es sich gegen 50 Franc austauscht. Der Skandal des Wertes, der Skandal, daß die Dinge mit Einbildungsvermögen begabt sind, bleibt bestehen, was auch immer der Inhalt dieses Einbildungsvermögens, was auch immer die Produktionskosten eines Produktes, welcher auch immer der Preis einer Ware sein mag. Welches auch immer die Kosten oder der Preis eines Arbeitsproduktes sind, dieses Produkt bleibt vor-ausgetauscht, mit der Fähigkeit zu denken ausgetauscht, ohne daß der Zuschauer des Spektakels dieses Denkens davon auch nur im geringsten betroffen ist. Das Geld ist die wirkliche Substanz der Ware, die philosophischste, die spinozistischste der Substanzen41. Das Geld ist das Subjekt von allem Existierenden, denn es ist gleichzeitig ein Ding und die Idee dieses Dinges in allen Waren. Und es ist vollkommen gerechtfertigt, Geld zu additionieren oder zu subtrahieren. Da das Geld auch ein Ding ist, eignet es sich bestens für diese Art von Operation, die nicht nur möglich ist, sondern täglich und universell praktiziert wird. Ferner schafft die Arbeit in keinem Fall Wert, die Maschine überträgt nicht nach und nach Wert, den man ihr etwa zugeführt hätte etc., all das ist animalistisches, fetischistisches Kauderwelsch. Das, was täglich, im Verlauf von Tausenden und Abertausenden von Jahren, den Wert, dieses Denken der Dinge, geschaffen und wiedergeschaffen hat, ist die Praxis der Händler. Es ist die mehrere jahrtausendealte Praxis der Händler, die nach und nach die Zelebrität des Geldes, seine Anwesenheit als Idee in allen Dingen hergestellt hat. Doch niemals könnte eine andere Arbeit als die unablässige Aktivität der Händler so etwas wie Wert schaffen. Nur nach einer jahrtausendelangen Praxis der Händler haben die Arbeitsprodukte nach und nach zu denken begonnen, begannen einen Wert zu haben, das heißt, sich unabhängig von allem menschlichen Denken und selbst unabhängig von der Aktivität der Händler, mit der Fähigkeit zu denken auszutauschen. Dieses Denken der Dinge nämlich, das Resultat des spezialisierten Handels, hat es dem Handel erlaubt, immer ungestörter, immer ungestrafter zu plündern. Und das, weil die gierige Praxis der Händler sich immer besser hinter dem Denken der Dinge, dieser für die Dinge natürlichen Notwendigkeit, sich mit der Fähigkeit zu denken auszutauschen, verbarg. Ob die Aktivität der Händler sich damit begnügt, die lokalen Ausbeuter auszuplündern oder ob sie sich selbst der Ausbeutung der Arbeiter annimmt, es ist immer diese Aktivität, dieses Bemühen, sein Vermögen allem was existiert anzugleichen, die die universelle Hegemonie des Geldes und seine Anwesenheit als Idee in allen Dingen herbeiführt. Im Streit zwischen denen, die behaupten, daß das Kapital Wert schafft, und denen, die behaupten, daß die Arbeit Wert schafft, muß man entschieden die Partei für die Ersteren ergreifen. Es ist das Kapital, das als historisches Bemühen der Kapitalisten, jeder für sich, Geld zu realisieren, den Wert schafft, das auf Kosten der Verhältnisse zwischen den Menschen, die Idee des universellen Verhältnisses zwischen den Dingen schafft. Mit dieser Negation von allem Besonderen muß jeder Mensch konfrontiert werden: das ist die Befreiung des Geistes und ihr Fundament. Der Mensch muß, als Proletarier, in diesem Äther des Elends der Substanz baden, in der alles, was er für wahr gehalten hat, untergegangen ist. Der Handel hat sich des negativen Seins der Determination oder der Verschiedenheit bemächtigt und hat das Geld als von der Verschiedenheit Verschiedenes, sich selbst Identisches, hingestellt. Das Geld ist das substantiell Identische, in dem jede Determination untergeht, - die abstrakte, tote Einheit. Der Handel hat die Negation nicht als konkrete, beziehungsweise unendliche Negation, universelles Schwätzen, Bewegung und Leben, begriffen. Man muß schon damit beginnen, Händler zu sein, aber man kann nicht Händler bleiben! Das Geld ist das Wahre, aber es ist noch nicht völlig das Wahre. Das Geld ist die universelle Determination und somit die abstrakte Determination. Wenn man sich an diese Substanz hält, kommt man zu keinem Geist, keiner Aktivität. Das Geld ist nur geronnene, dickflüssige Substanz, noch kein Schwätzen, man fühlt sich nicht heimisch darin ... (der Zuschauer des Spektakels fühlt sich nirgends heimisch). Im Geld wird alles nur in diesen Abgrund der Vernichtung geworfen, aus dem es nicht stammt, und der Besondere, der Proletarier, wird nur dort gefunden, ohne gerechtfertigt worden zu sein. Das den Proletarier betreffende Vorgehen besteht darin, daß man ihn seines Bestimmtseins, Einzelnseins beraubt und ihn in die einzige und absolute Geldnot drängt. Hier liegt das Unbefriedigende am Geld. Die Verschiedenheit ist nur äußerlich vorhanden, bleibt außerhalb, man kann sich unter ihr nichts vorstellen, was zur Folge hat, daß sie sich nicht auf der Straße ansprechen kann, weil sie selbst nichts von sich weiß. "Absolute Macht", "Reichtum allen Inhalts", ist das Geld, als Not und Notwendigkeit, absolutes Verhältnis, Verhältnis des Substantiellen und des Zufälligen, aber das, was gefunden und verloren werden kann, also ist es das, wessen Effektivität etwas Zufälliges ist. Das Geld ist die zufällige Humanität.


6. Das Evangelium nach Ricardo.

Ricardo geht weniger Risiken ein als Marx. Er geht nicht so weit, die abstrakte Arbeit mit dem Wert zu verwechseln. Er begnügt sich wohlweislich damit, zu behaupten, daß der Wert von der relativen Quantität der für die Herstellung der Waren notwendigen Arbeit abhängt. Er versucht nicht zu sagen, was der Wert ist (man muß diesen großen Verdienst auf jeden Fall Marx lassen). Ricardo setzt sich nicht, wie Marx, das Wesen der Dinge zum Ziel, sondern will nur wissen, wie man sich nicht nur am schnellsten, sondern auch am dauerhaftesten bereichert. Trotz seiner durch und durch finanziellen Vorsicht sind die wenigen Risiken, die er eingeht, zwecklose Risiken. Entweder ist seine Position richtig, aber dermaßen allgemein und für alle Epochen gültig, daß sie nichts aussagt, nichts, was seine Epoche (die unsere) charakterisiert, oder aber seine Position ist falsch. Ricardo verkündet seine berühmte Formel in einer Gesellschaft, in der der Großteil der Ausbeuter Kapitalisten sind, die den größten Teil ihrer Zeit damit verbringen, Produktionskosten zu kalkulieren, Produktionskosten zu kontrollieren, die Zeit von anderen zu ökonomisieren, in der jeder ausbeutende Kapitalist während seines ganzen Lebens auf die Zeit - die Zeit von anderen, die Zeit, die der andere braucht, um ein Ding herzustellen - wie auf ein untolerierbares Hindernis für seinen Wunsch sich zu bereichern stößt. Der Kapitalist findet immer, - er, der nichts tut - was auch immer der Arbeiter tut, er es zu langsam tut, daß er zuviel Zeit braucht. Er weiß sehr gut, er, der ausbeutende Kapitalist, daß die notwendige Zeit (eine gewisse Zeit, wie auch immer), um ein Ding zu produzieren, immer das wichtigste Hindernis für seinen Wunsch, sich noch schneller zu bereichern war. Er weiß, daß die Zeit (aus seiner Sicht die Langsamkeit des Arbeiters) eine Begrenzung ist, die auch den anderen Kapitalisten gestellt ist. Er weiß gut, weil er selbst daran "arbeitet", daß jeder Kapitalist mit Inbrunst daran "arbeitet", die Zeit auszumerzen (im Sinne von Auschwitz), um seine Produktionskosten zu senken. Er weiß, daß das, was jeden Kapitalisten daran hindert, seine Produktionskosten zu senken (unabhängig von der Schwierigkeit den Arbeiter und seine Familie mit nichts, mit weniger als Schweinskartoffeln und Ersatzbrot zu ernähren), die erhebliche Schwierigkeit ist, die man hat, die Produktionszeit zu senken. Obwohl diese Senkung kontinuierlich ist und allgemein fortschreitet. Er weiß gut, daß es das Ziel jedes Kapitalisten ist - und das ist sein eigentliches Ziel -, die Produktionskosten einheitlich für alles, was seine Fabrik herstellt, auf fast nichts zu senken, mit dem einfachen und eindeutigen Ziel, den Unterschied zwischen den Produktionskosten und dem Preis des Produktes auf dem Markt möglichst zu vergrößern. Und dazu gibt es nur ein Mittel (unabhängig vom Bemühen der Kapitalisten, die daran "arbeiten", die Kosten für die Schweinskartoffeln, Weizen und Ersatzbrot zu senken), nämlich die Zeit, die seine Arbeiter benötigen, um jedes der Objekte zu produzieren, die seine Fabrik herstellt, zu senken, die Arbeit in seiner Fabrik auszumerzen (im Sinne von Auschwitz) oder aber bei gleichbleibender Anzahl von Arbeitern, den Umfang seiner Produktion durch Verlängerung der Arbeitszeit oder Vergrößerung der Fabrik zu erhöhen. Unter diesen Bedingungen einer konstanten und täglichen Praxis ist die Arbeitszeit (die Langsamkeit der Arbeiter, ihre wohlbekannte Faulheit) die ultima ratio, die letzte Instanz eines Denkens, das nur ein Ziel kennt: die Ökonomie der Arbeit von anderen. So wird einsichtig, daß nicht so sehr der Wert einer Ware von der relativen Quantität der für ihre Produktion notwendigen Arbeit abhängt, sondern vielmehr: das Denken des Kapitalisten. Weil sich dem ausbeutenden Kapitalisten immer die für die Produktion eines Dinges notwendige Zeit als untolerierbares Hindernis für seinen Wunsch sich zu bereichern in den Weg stellt, wird die Zeit, im bürgerlichen Denken, zum Alpha und Omega, zur letzten Instanz, zum Bestimmenden allen bürgerlichen Handelns. Die Ökonomie der Zeit von anderen ist die bürgerliche Aktivität par excellence. Der ausbeutende Kapitalist ist bestrebt, die für die Produktion eines Dinges notwendige Zeit (im Sinne von Auschwitz) auszumerzen. Er bemüht sich vor allem, das zu ökonomisieren, was ihn keine Mühe kostet. Und das machen alle ausbeutenden Kapitalisten. Daraus folgt, daß die Zeit das absolute Limit ist, auf das sie, in ihrem Willen, sich zu bereichern, stoßen. So ist es kein Wunder, daß sich im bürgerlichen Denken im Allgemeinen und im Denken von Ricardo im Besonderen, der Gedanke formt, nach dem der Wert einer Ware von der relativen Quantität der für ihre Produktion notwendigen Arbeit und nicht von der, dem Arbeiter mehr oder weniger hohen, zugestandenen Entlohnung abhängt. Und in einer so gestalteten Welt hängt der Wert einer Ware wirklich von der relativen Quantität der für ihre Produktion notwendigen Arbeit ab, aber weil und nur weil das Handeln aller Kapitalisten darin besteht, diese Zeit herabzuschrauben, zu ökonomisieren. Auch besagte Ricardos Aussage bestenfalls folgendes: der Wert, das Denken der Dinge, resultiert aus der Aktivität der Kapitalisten, Geld zu realisieren, um sich zu bereichern, aus der Aktivität der Kapitalisten, unendlich ihr Vermögen zu vermehren. Er sagt also etwas für alle Zeiten, in denen das Geld und die, die es realisieren wollen, existiert haben, allgemein Richtiges aus. Im besten Fall sagt Ricardo nichts. Er bringt die Frage des Wertes, die Frage der Zelebrität des Geldes, nicht um einen Millimeter weiter, da seit 6.000 Jahren die Hegemonie des Geldes aus der Aktivität der Kapitalisten, aus der spezialisierten Aktivität derer, die das Geld realisieren wollen, resultiert. Ob das Handeln der Kapitalisten hauptsächlich darin besteht, hier und da die lokalen Ausbeuter zu plündern, wie es die Fugger, die Bardi oder Jacques Coeur getan haben, oder auch darin, daß sich die Kapitalisten gezwungen sahen, vom Ausbeutungsbereich Besitz zu ergreifen und somit gezwungen, die Zeit von anderen zu ökonomisieren, der Wert, die Hegemonie des Geldes, hängt immer von ihrer wilden Anstrengung ab - jeder für sich - Geld, diese Idee, die gebieterisch ihre Realisation fordert, zu realisieren. Wenn diese Anstrengung gezwungen ist, ein permanentes Kalkül der Produktionskosten und der Ökonomie der Arbeit von anderen zu werden, ist der Wert, die Tatsache, daß die Dinge sich mit der Fähigkeit zu denken austauschen, immer das Resultat dieser, auf den Ausbeutungsbereich erweiterten Anstrengung, wie er 6.000 Jahre lang das Resultat dieser, auf Täuschung und Plünderung der lokalen Ausbeuter beschränkten Anstrengung gewesen ist. Was den lokalen Ausbeuter vom kapitalistischen Ausbeuter unterscheidet, ist ganz einfach, daß ersterer nicht gezwungen ist, die Arbeit von anderen zu ökonomisieren, letzterer jedoch sehr wohl. Die Ökonomie ist nicht die Aktivität des einen, seine Aktivität ist die Vergeudung. Die Ökonomie ist die Aktivität des anderen. Wenn man jetzt die Formel von Ricardo wörtlich nimmt, ist sie sogar falsch. Seine Vorsicht ist in diesem Fall noch nutzloser, da sie ihn nicht vor Irrtum schützt. Marxens Verdienst ist es, diese Formel wörtlich genommen zu haben. Nicht der Wert hängt von der abstrakten Arbeit ab, sondern die abstrakte Arbeit hängt vom Wert ab. Die abstrakte Arbeit ist das Resultat einer Aktivität. Sie resultiert aus der Aktivität des Kapitalisten, der (im Sinne von Auschwitz) von der Arbeit von anderen abstrahiert. Die abstrakte Arbeit ist die Arbeit, von der der Kapitalist abstrahiert. Und diese Aktivität des Kapitalisten ist nur dann möglich, wenn der Wert allgemein geworden ist, wenn das Denken der Dinge alle Dinge durchdrungen hat. Gerade, weil so etwas wie der Wert existiert und aufgrund der historischen Konsequenzen dieser immer universelleren Existenz, haben unternehmerische Männer in einer bestimmten Epoche die abstrakte Arbeit, die Arbeit von der man abstrahiert, praktisch erfunden; indem sie zunächst durch die Heimarbeit und in den Manufakturen eine historische Situation des Zerfalls einer bestimmten Gesellschaft klug ausnutzen, aber auch weil sie selbst durch das, was die Gesellschaft zergliedert hatte - die Entwicklung des Geldes und der Ruin derer, die der Handel bis dahin ausgeplündert hatte - dazu gezwungen worden sind. Weil so etwas wie der Wert existiert (das Denken der Waren), weil so etwas wie die Ware existiert (das heißt Arbeitsprodukte, die sich mit der Fähigkeit zu denken austauschen) und weil so etwas wie das Geld existiert (das heißt nicht nur ein Arbeitsprodukt, das sich mit der Fähigkeit zu denken austauscht, sondern das dieses Denken realisiert), konnte der Kapitalist (der auch - verdammt noch mal! - existiert; wenn man gewisse Seiten bei Marx liest, könnte man allerdings das Gegenteil annehmen) in einer bestimmten Epoche und aus bestimmten datierten Gründen dazu kommen, Produktionskosten zu kalkulieren, und zwar mit einem gut definierten Ziel und unter nicht weniger definierten Bedingungen. Und auf dieser stabilen, mehrere jahrtausendealten Basis, auf dieser gut etablierten Praxis der Dinge kann und will er die Produktionskosten kalkulieren, lange nachdem er hier und da, ohne sich um die Kalkulation von was auch immer zu kümmern, geplündert und ruiniert hat. Eben weil der Austausch sich unabhängig von jeder menschlichen Handlung und der Ungewißheit der menschlichen Handlungen, mit der Fähigkeit zu denken vollzieht, kann sich der Unternehmer auf dieses natürliche Phänomen stützen, das wie alle natürlichen Phänomene, wie etwa der freie Fall der Körper, eine anständige Regelmäßigkeit hat, die mit der Ungewißheit der menschlichen Handlungen kontrastiert (dieses auf Grund von man weiß nicht recht wessen Schuld zum scheußlichen Abschlachten degenerierte Papua-Fest). Eben weil er auf dieses unmenschliche Phänomen rechnen kann, das die ganze Solidität des Universums von Laplace darstellt, kann er zuerst die Produktionskosten kalkulieren und erst dann produzieren, wenn diese Kosten unter dem Marktpreis liegen und wenn er anderswo keine vorteilhaftere Kalkulation finden kann. Das ist also das ganze Geheimnis der Herkunft des Profits! Eben weil das Universum der Ware ein Gesetz zu haben scheint (der Fluch des bürgerlichen Denkens ist es, daß dies nur bloßer Schein ist und die Folge hat ausreichend gezeigt, daß das Universum der Ware kein Gesetz hat, so daß die Unruhen eines Papua-Festes gegenüber den Unruhen der Welt der Ware als die Ruhe selbst erscheinen können), wird er versuchen, es zu seinem Besten und zu seinem größtmöglichen Profit zu überschreiten. Nur nach der jahrtausendelangen Plünderung der existierenden Gemeinschaftswesen, das heißt in den meisten Fällen der lokalen Ausbeuter, sehen sich die Händler dazu gezwungen, sich selbst der Ausbeutungssphäre anzunehmen. Und das aus einem sehr einfachen doppelten Grund: sie haben alle, die sie ausgeplündert haben, ruiniert, und die Wucherung ihrer eigenen Klasse zwingt sie trotz der universellen Entwicklung des Marktes zu einer wilden Konkurrenz. Aus diesem doppelten Grund, dem Ruin vieler, die es sich erlauben konnten, nicht zu rechnen, und der Überfüllung des Marktes, dem man noch diesen anderen Grund hinzufügen muß: die Entwicklung des Einzelhandels (der Handel mit den armen Leuten, die rechnen müssen), sahen sich die Händler gezwungen, Produktionskosten zu kalkulieren. Aber diese Gründe sind nicht ausreichend. Das ist des Pudels Kern: erst nachdem die jahrtausendelange Entwicklung des Wertes, des Denkens der Dinge, bewirkt hat, daß alles einen Wert hat, daß alles den Austausch und das Denken vollzieht, was die Arbeiter essen mit eingeschlossen, kann der Kapitalist Produktionskosten berechnen. Dazu braucht er nur die für die Ausführung der Arbeit notwendigen Investitionen und das für die Ernährung der Arbeiter Notwendige zu addieren. Es ist also der Wert, dieses historische und soziale Ding, der es, einmal durch die jahrtausendelange Aktivität der Händler (manchmal durch ein ganzes Volk von Händlern) universell geschaffen, erlaubt, seinerseits die abstrakte Arbeit, die Lohnarbeit zu schaffen, das heißt, die Arbeitsform, von der man abstrahieren kann, zu schaffen, die Arbeitsform, die in die Kalkulation der Produktionskosten einbezogen werden kann, zu schaffen. Es ist also der Wert, daß heißt die Anwesenheit der Idee des Geldes (das selbst die Idee von allem Existierenden ist) in allen Dingen, der einmal durch die jahrtausendelange Praxis geschaffen die ganze Welt, die er erobert und zergliedert hat, beherrscht und es dem Geld erlaubt, sein Werk der universellen Zerstörung, daß heißt genauer, sein sehr hegelianisches Werk der universellen Aulhebung fortzusetzen. Er ist es, der die Gegensätze universell zur Aussöhnung zwingt. Ist die Zelebrität des Geldes erst einmal als einzige universelle Macht, das Denken der Dinge zu realisieren, fest etabliert und aus diesem Grund die Allmacht des Geldes gut abgesichert, die ausschließlich in der jahrtausendealten und weltweiten Aufführung seiner Allmacht besteht (die Zelebrität ist ein System falscher Ideen über die Zelebrität), dann kann der Kapitalist sich selbst auf die Ausbeutung stürzen, indem er die Kalkulation der Produktionskosten in sie einführt. Der Kapitalist kann Kosten erst dann kalkulieren, wenn das Geld als Idee in allen Dingen präsent ist, wenn jedes Ding und besonders das, was die Arbeiter essen, einen Preis hat. Erst wenn fast alles in Ware, in denkende Dinge, umgewandelt worden ist, kann die rein händlerische Ausbeutung beginnen. Fassen wir zusammen. Entweder sagt uns Ricardo, daß der Wert von der Aktivität der Kapitalisten abhängt, dann ist das für uns ohne Bedeutung. Ich sage für uns, weil die Produktionskosten kalkulieren und Zeitmessung der Arbeit für diejenigen notwendig sind, die sich keine anderen Formen des Reichtums als das Geld, und den Staat vorstellen können, für diejenigen, die nur nach dieser Art von Reichtum streben (wir verachten sie, weil wir ihr grundlegendes Elend immer besser kennen). Diese Frage kann nur für denjenigen von Interesse sein, der die Lohnarbeit und den Staat rechtfertigen will, der die von Geld und Staat geschaffene Welt unterstützt und verwaltet, ein Ricardo, ein Lenin, Mao oder Attali. Oder aber Ricardo sagt uns, daß die "notwendige Arbeitszeit" das ist, was wirkt - und das ist absurd. Es ist genau diese Absurdität, die Marx sich entschlossen hat, um jeden Preis und gegen alles und in erster Linie gegen seine eigenen Prinzipien, zu Standfestigkeit zu verhelfen. Gewiß, wir wissen sehr gut, daß die notwendige Arbeitszeit wirkt. Aber wir wissen auch, daß sie nur im Kopf des Kapitalisten wirkt. Sie ist die fixe Idee des Kapitalisten. Weder Marx noch Engels begreifen den englischen Humor Ricardos, in dem "Arbeitszeit" "Faulheit des Arbeiters" und "Arbeitskraft" "Schwäche des Arbeiters" lautet. Sie haben sich entschlossen, Ricardo wörtlich zu nehmen und aufzuzeigen, daß die "notwendige Arbeitszeit" existiert, und daß sie unabhängig von der Aktivität des ausbeutenden Kapitalisten, sie einzuschränken, existiert. Und um das, koste es was es wolle, zu stützen, sind sie bereit, alle diese Realitätsverdrehungen zu unternehmen und so viele Fantome als nötig zu erfinden, Arbeitskräfte, Produktivkräfte, Produktionsformen, Basis und Überbau, nur um zu beweisen, daß die Arbeitszeit existiert, lebendig ist, wirkt, die Fäden zieht, das substantielle Subjekt der kapitalistischen Realität und möglicherweise sogar jeder Realität ist (was für ein Unglück!), daß sie das subjektive Wesen des Privatbesitzes ist. Marx schmiedet also eine fetischistische Theorie des Fetischismus, einen Kapitalismus ohne Kapitalisten und schließlich als äußerstes, entgegen all seinen gegenteiligen Bekenntnissen, einen Kapitalismus ohne Lohnarbeiter, ein Proletariat ohne Proletarier. Die Dinge müssen aus verschiedenen Gründen von alleine gehen. Eine Realität ohne sozialen Krieg, eine Geschichte ohne Konflikt, oder besser, eine Geschichte, in der die einzigen Konflikte die Konflikte der "Dinge" sind: Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse etc., und in der alle wirklichen Kämpfe nur falscher Schein, einfache kleine Wellen an der Oberfläche der "Realität" sind. 1848 sind die Proletarier in ihren Bemühungen, sich (als solche) aufzuheben, geschlagen. Sie können deshalb das bürgerliche Denken der Welt nicht daran hindern, sich selbstgefällig zur Schau zu stellen. Das soll aber nicht heißen, daß die Welt so ist, wie die Bourgeoisie sie gerne haben wollte. Und dennoch: Marx glaubt den Bourgeois alles. Er übernimmt ohne wirkliche Kritik all ihre Ideen und "verbessert" sie, wobei er sie unabsichtlich lächerlich und unhaltbar macht. Er entlarvt ihr Wesen. Heute sind diese lächerlichen Ideen von Marx in Washington, in Moskau, in Peking und Algier das Credo aller Machthaber. Die Geschichte ist amüsant. Ricardo hat unseren Agenten Marx unterwandert. Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Unser unterwanderter Agent Marx ist heute derjenige, der alle Machthaber der Welt mit lächerlichen Ideen unterwandert. Lieber Bürger Marx, da hast du deine Rache. Wenn man an diese Fantome glaubt, muß man an den Mangel als naturgegeben, an die Notwendigkeit der kybernetischen Diktatur der Kalkulation der Produktionskosten glauben (das, was im Denken und Handeln des ausbeutenden Kapitalisten, dieses manischen Ausbeuters, und in der Welt, in der dieser Manische wütet, Diktatur ist). Das geht so weit, daß man nicht mehr weiß, wie man das Geld und den Staat entbehren könnte42. Das geht so weit, daß man keine einzige Idee gegen diese Welt haben kann (das ist genau der Fluch aller universitären Schwachköpfe. Man besucht nicht ungestraft die Universität). Marx kommt also dahin, zu beweisen, was der Ökonom, ein Malthus oder ein Attali beweisen will, nämlich, daß alles, was auch immer geschehen mag, letztendlich so weiter laufen muß, wie es läuft, was ihnen freilich völlige Freiheit zum Verändern aller Details läßt. Die absurde Theorie bringt es allerbestenfalls zu Spaßen von soldatischer Komik. Schreibt Marx nicht: "Keine Gesellschaftsform kann verhindern, daß die der Gesellschaft zur Verfügung stehende Zeit auf die eine oder andere Weise die Produktion regelt". Und was ist denn diese eine oder andere Art und Weise: die gleiche, die es der Kanone erlaubt, sich abzukühlen. Frage: "Wieviel Zeit braucht eine Kanone, um sich abzukühlen?" Richtige Antwort: "Um sich abzukühlen, braucht eine Kanone eine gewisse Zeit". Natürlich, was auch immer eine Gesellschaft macht, sie braucht, um es zu tun, eine gewisse Zeit. Desgleichen brauchen alle linken Schwachköpfe "eine gewisse Zeit", um ihre Albernheiten daherzuplappern und ihr Gestöhne herauszubringen. Wenn die Erde die Publizität kennen wird, wird die ganze Zeit mit Schwätzen und lebhaften Streitereien verbracht werden. Trotzdem wird man nicht 25 Stunden täglich schwätzen können. Das ist also die ganze ökonomische Wissenschaft. Die Theorie des Mehrwerts fügt sich gut in diese Art stupiden Spaßens ein: unter allen Ausbeutungsformen arbeitet der Mensch, wenn er ausgebeutet wird "eine gewisse Zeit" für seinen Ausbeuter. "Was sind die Füße?" "Die Füße sind der Gegenstand aufmerksamer und ständiger Pflege." Zeitlebens kämpft Marx, die Richtung nehmend, die der Feind ihm weist, um zu beweisen, daß der ausgebeutete Arbeiter eine gewisse Zeit für seinen Ausbeuter arbeitet. Selbst ein Marquis zur Zeit des schüchternen Stendhals wußte das. Voyer d’Argenson schrieb 1827: "Meine Freunde, ihr seid Leute, die für die Arbeit bestimmt sind. Euer Schicksal ist es, im Durchschnitt sechzehn Stunden täglich zu arbeiten. Von diesen sechzehn Stunden wird ungefähr die Hälfte für die Schaffung des Erbteils der ,Elite’ der Gesellschaft auf die Seite geschafft, die sich in Besitzer, Kapitalisten, Pfaffen, Beamte, Rentenempfänger, Staatspensionäre, Könige oder Minister und Akademiker aufteilt". Dieser extravagante (und immer reiche) Voyer schrieb 1833 auch: "Ihr erfüllt nicht eure Pflicht (...), wenn ihr nach einem erfolgreichen Aufstand schlaff genug oder ignorant genug seid, euch mit der Forderung nach Verbesserung der Tarife oder der Erhöhung der Löhne begnügt". Und hier zum Schluß noch eine amüsante Beobachtung. Es sind dieselben, deren Alibi die Rentabilität, das Optimale, die Abstinenz, die Akkumulation, der cash-flow, der Kampf gegen Verschwendung und Anarchie ist, die ihnen zufolge die Aufhebung der Kalkulation der Produktionskosten als Typus menschlicher Beziehungen und als Korrektur der natürlichen Faulheit der Arbeiter mit sich ziehen würde, mit einem Wort die, deren Alibi die Ökonomie der Arbeit von anderen ist, die, sagen wir, 50% der sogenannten aktiven Bevölkerung mit der Aufhebung der Arbeit der 50 anderen von 100 beschäftigen: Kalkulation der Kosten, Kontrolle der Kosten, Verkauf und Wiederverkauf, die diverse Manipulation des Geldes, Armee und Polizei und die Staatsclowns. Das Geld kommt teuer. (Dies ist selbstverständlich nur eine spaßige Bemerkung.) Die Frage lautet anders: sie ist die, daß es der Ökonomie der Arbeit von anderen gelingt, das Leben selbst zu ökonomisieren. Was Sie wirklich verschwendet, verschwendet sie absolut. Sie verschwendet die Realität selbst. Sie verschwendet die Totalität des Lebens, indem sie es jeden Sinns beraubt. Die Behauptung, daß das Geld der Gesellschaft teuer kommt, besagt wenig. Das Geld ist die wirkliche Gesellschaft. Es praktiziert wirklich die soziale Aktivität. Ihm gegenüber ist die Gesellschaft nichts mehr. Es sind dieselben die, im Begriff enthüllt zu sein, vollkommen dazu bereit sind, anzuerkennen und zu erklären, daß sie X% der Zombie-Aktivität der Warenträger (derselben somnambulen Träger, die in den Befragungen erklären, daß sie sich ohne Arbeit langweilen würden) verschwenden, damit man nicht auf den Skandal der Existenz der Zombies an Ort und Stelle des Menschen kommt. Bürger, wer von euch wird diesen ökologischen Sirenengesang anstimmen? Es finden sich selbstverständlich Legionen von linken Schwachköpfen, die diesen Gesang anstimmen. Die Frage ist selbstverständlich nicht, ob 50% der Zombies arbeiten und 50% mit Pseudo-Arbeiten beschäftigt sind, um die Arbeit der Ersten aufzuheben. Die Frage ist auch nicht die, daß X% der Zombie-Aktivität auf unnütze, schädliche Produkte verschwendet wird; was andeuten würde, daß ein Arbeitsprodukt einzeln genommen nützlich für den Menschen sein kann, ich will sagen menschlich nützlich für den Menschen als Menschen. Die Frage ist die, daß, was auch immer eine Gesellschaft, die auf der Ökonomie der Arbeit von anderen basiert, produziert, sie das Schwätzen und die Streitereien, die die einzige menschliche Art und Weise, die Welt zu organisieren darstellen, ökonomisiert. Die Ökonomie der Arbeit von anderen schafft in Wirklichkeit die Ökonomie der Humanität. Sie ersetzt das Schwätzen und die Streitereien, die die einzige rationelle Art und Weise, die einzige menschliche Art und Weise, die Welt zu organisieren, darstellen. Die einzige für den Menschen als Menschen nützliche Sache ist das Schwätzen. Die Frage ist die, daß das Geld und der Staat das Monopol auf die weltweite Aufhebung von Arbeit besitzen. Es geht darum, daß die Totalität der Menschen die Aufhebung der Totalität der Arbeit selbst übernimmt. Es geht darum, daß das allgemein gewordene Schwätzen als neuer Existenzmodus der Menschen die Kalkulation der Produktionskosten verdrängt.


7. Die Humanität ist das, was sich verliert, also das, was sich findet.

Die Theorie der Publizität erlaubt es, die Entfremdung als menschliches Handeln wirksam zu erfassen, da allein sie fähig ist, das menschliche Handeln zu erfassen. Marx konnte, indem er in der Analyse das wesentliche abstrakte Moment außer acht ließ, die Kritik der Entfremdung nicht zuende führen. Die Entfremdung ist nicht die Entfremdung der Arbeit, diese allen Tieren gemeinsame Aktivität, sondern die Entfremdung des Austausches. Die Humanität ist nichts anderes als die Verallgemeinerung des Austausches, die Aufhebung von allem Besonderen, Unabhängigen im Austausch. Die Entfremdung ist das Mittel dieser Verallgemeinerung, als Verallgemeinerung des Austausches zwischen den Dingen. Die Vorgeschichte der Menschheit ist die Geschichte des Handelns. Diese Vorgeschichte mündet in der Ware, im Austausch aller Dinge mit allen Dingen. Die Ware ist die Entfremdung der Aktivität der Händler, der Menschen, die das Projekt konzipiert haben, in ihren Händen die gesamte Humanität zu konzentrieren, Die Ware ist tatsächlich die Humanität, die sich unabhängig von allen Menschen bildet. Das ist das streng hegelianische Konzept der letzten Stufe des Geistes: die Entfremdung des Geistes als Natur. Die eigentliche Geschichte ist im Gegenteil die wirkliche, die Humanität wiederherstellende Bewegung, die Entnaturalisierung der Humanität. In dem sie sich mit zu viel Fieber, dem Goldfieber, gesucht hat, hat sich die Humanität in den Dingen verloren und die Geschichte ist die Bewegung, durch die sie sich wiederfindet und gründet. Das Denken Hegels ist heute vollkommen wahr. Die Entfremdung des Austausches, seine Verallgemeinerung in den Dingen ist die Entfremdung dessen, was sich in dieser Aktivität entfremden kann: der Idee des Austausches. Die Idee des Austausches ist das wesentliche Moment des Austausches. Der wahre, das heißt der vollzogene Austausch ist die Realisation dieser Idee. Der Austausch ist die praktische Idee, die Idee, die sich realisiert. Der Austausch bezieht seinen Bestand nur aus der Verallgemeinerung, der Veröffentlichung dieser Idee.


Der Austausch hat keinen unmittelbaren, von der Arbeit, von der Aktivität des Tieres, unabhängigen Bestand. Der Austausch bezieht seinen Bestand nur aus der Existenz ein und derselben Idee in zwei Köpfen. Die Publizität dieser Idee ist unmittelbar das konsistente Moment des Austausches. Die Entfremdung ist die Verallgemeinerung dieser Idee in den Dingen. Die Verallgemeinerung des Austausches, das heißt, die Verallgemeinerung dieser Idee ist auch das ständige Moment des Austausches. Die Entfremdung ist die Verallgemeinerung dieser Idee in den Dingen. Die Konsistenz des Austausches wird universell, aber sie wird auch universell unabhängig vom Menschen. Der Wert ist die Idee des Austausches, die unabhängig vom Menschen wird. Das Geld ist die Realisation dieser Idee, die unabhängig von Menschen wird. Die Ware ist der Austausch, der unabhängig vom Menschen wird. Darin besteht also die Entfremdung des Austausches, die Entfremdung des menschlichen Wesens. Aber gerade das erlaubt es, der Idee des Austausches, der Realisation des Austausches und dem Austausch selbst, von der Welt Besitz zu er greifen, von allen Köpfen Besitz zu ergreifen, von allen Dingen Besitz zu ergreifen. Wenn schließlich die Idee des Austausches in alles eingedrungen ist, wenn es alle Dinge sind, die die wesentlich menschliche Handlung praktizieren, die ihn denken, die ihn realisieren, dann wird die Entfremdung wirklich. Also alles Besondere des Austausches ist aufgehoben, aber der Preis dieser Universalisierung ist das Absterben des Austausches zwischen den Menschen. Die Publizität, die Verallgemeinerung des Austausches ist in der Tat die Aufhebung des Austausches. Die Entfremdung realisiert diese Aufhebung. Aber die Verallgemeinerung selbst ist es, die unabhängig von den Menschen geworden ist. Der Austausch ist absolut allgemein geworden43. Der Mensch ist auf die Anschauung seiner Humanität als Natur, seiner Humanität als Humanität der Dinge reduziert. Manche wählen dieses Moment, um dem Tauschhandel, dem Austausch der Waren unter sich, vorzuwerfen, individualistisch zu sein, während er doch alles, nur nicht individualistisch ist, während es doch keinen Austausch mehr zwischen den Individuen gibt und das Individuum sehr genau diese hochmoderne Erfindung des Menschen ist, der niemals austauscht, der jedoch, bei Abwesenheit jeder menschlichen Praxis, die Humanität für sich in Anspruch nimmt, also der praktisch inhumane und idealistisch humane Mensch, der seiner Humanität beraubte Mensch, reine Idee der Humanität, die sich nie äußern kann, der Mensch, für den die Idee nicht praktisch sein kann und der auf das bloße Bewußtsein reduziert ist, auf eine Idee, die sich nie realisieren kann. Doch all das weiß auch der Mensch, der Proletarier. Das Individuum, der freie Arbeiter, der auf das bloße Bewußtsein von Humanität reduzierte Mensch, der Zuschauer, der auf das Anschauen des Spektakels des universellen Austausches der Dinge unter sich reduzierte Mensch, der Mensch, der nie austauscht, der nie spricht, der Warenträger. Die Bewegung der Entfremdung ist also folgende: es hat sich als nötig erwiesen, daß das Individuum die Publizität denkt, bevor die Publizität das Denken realisieren kann. Die Beschlagnahme der uralten Sphäre der Ausbeutung durch den Handel enthüllt das Wesen, den Einsatz der Ausbeutung. Der Ausgebeutete ist tatsächlich der Aufhebung seiner Arbeit, der Publizität beraubt. Das besondere Kennzeichen der modernen Ausbeutung, der Lohnarbeit, ist, daß sie die reine Entfremdung anstrebt, ist, daß sie es anstrebt, dem Ausgebeuteten die Totalität dessen, was die Arbeit produziert, zuzugestehen, ohne ihm dafür die Humanität, die Aufhebung der Totalität der Arbeit zuzugestehen. Kein Romancier der Science-Fiction - die ansonsten gern im Grauenerregenden und Abscheulichen baden - war dazu fähig, die einfache Realität unserer Epoche in seinen Horror einzubringen: den auf das Tragen von Waren reduzierten Menschen. Der Austausch zwischen den Menschen mittels der Dinge hat dem universellen Austausch der Dinge mittels des Menschen Platz gemacht. Die Zeitmessung der Arbeit von anderen kennt nur ein Ziel: daß sich die Dinge frei und ohne Risiken für sich selbst unter sich austauschen können. Die Ware ist kein Ding. Die Ware ist keine soziale Beziehung zwischen Personen. Die Ware ist eine soziale Beziehung zwischen von Menschen vermittelten Dingen.




III. Der Klassenkampf existiert, aber nicht nur so, wie man ihn sich vorstellt.



1. Vorwärts! (en avant!)

Gerade in dem Moment, als der Feind glaubte, endgültig mit dem Konzept der Entfremdung fertig zu sein, tauchte es voller Kraft, präzisiert, gestärkt, gewaltiger denn je zuvor wieder auf. Nachdem der erste Effekt der Überraschung vorüber ist, wohnen wir der Bekehrung des ganzen Lumpenpacks bei. Es geht darum, den Skandal um jeden Preis abzuwürgen. Der Situationismus, das heißt, die verdünnte, inoffensive, homöopathische Form der Kritik der Entfremdung kommt wie gerufen und der Situationismus der stalinistischen Parteien ist dabei nicht der am wenigsten überraschende. Das ist freilich weniger überraschend seitens des Sozialisten genannten Drecks, der immer humanistische Anmaßungen gegenüber der jdanovistischen Strenge behauptet hat. 1968 sind es die Proletarier, die sich deutlich sichtbar gegen die Entfremdung, das heißt, gegen das Proletariat, gegen ihre inhumanen Bedingungen auflehnen, es sind die Proletarier, die selbst darauf kommen, das Proletariat aufzuheben. Mit dem New-Deal nimmt die Bourgeoisie den bolschewistischen Handschuh auf und gesteht die Existenz der Ausbeutung ausdrücklich ein, um ihre Fähigkeit, sie aufzuheben, zu behaupten. Die Gesellschaft befleißigt sich also zu zeigen, daß sie leicht dazu fähig ist, alles zu geben, ohne daß ihre fundamentale Scheußlichkeit aufs Spiel gesetzt wird. Aber das Unglück des bürgerlichen Denkens ist es, daß dieser Ausweg das Gegenteil von dem produziert, was er produzieren sollte; er produziert mit einer unvergleichbaren Deutlichkeit die Realität der Entfremdung, er regelt wirklich die Frage der Ausbeutung, indem er seine Realität als falsche Frage enthüllt. Die wirklich zentrale, wesentliche, fundamentale Frage der Entfremdung erscheint brutal in grellem Licht. Unsere Partei erneuert den Angriff und stellt, um sie zu lösen, die einzig wirkliche Frage. Deshalb muß die Bourgeoisie in einem pro-situationistischen New-New-Deal diese Frage auf ihre Art und Weise selbst stellen, um zu versuchen, sie nicht zu lösen.


2. Der Lohnarbeiter ist ein Sklave, der sich von Waren ernährt.

Die moderne Epoche, die von Marx, die unsrige, wird nicht durch das Kapital, sondern durch die Lohnarbeit charakterisiert, und zwar durch die Tatsache, daß das Kapital, der Handel vom Ausbeutungsbereich Besitz ergreift44. Im Verlauf von sechzig Jahrhunderten des Handels hielt sich das Kapital immer außerhalb des Ausbeutungsbereichs auf. Nachdem der Handel, vor ein paar Jahrhunderten, nachdem er einen großen Teil des Planeten ruiniert hatte, vom Ausbeutungsbereich Besitz ergriffen hat, schafft er eine neue Form des Geldes, das Geld, das sich nicht vermehren kann, den Lohn. Es ist diese Geldform, die die wesentliche Armut des Geldes und die geheime Armut der Herrschenden enthüllt. Die Lohnarbeit, das ist zunächst die Demokratisierung des Geldes, das heruntergekommene Geld, weil die Demokratisierung aller herunterbringt, was sie anrührt. All das war in der Zeit von Marx noch nicht so ausgeprägt, da die Lohnarbeit noch in ihren Anfängen steckte. Was behauptet der Feind, was sagt die Politische Ökonomie? Sie behauptet, daß das Kapital nicht nur die moderne Epoche charakterisiert, sondern immer existiert hat. Sie hat recht. Zumindest unterscheidet sich die Existenz des Kapitals nicht von der Existenz des Geldes. Sie behauptet, daß die moderne Epoche immer hoch durch das Kapital charakterisiert wird. Sie hat unrecht, oder sie sagt durch zu große Verallgemeinerung nichts. Eher als das Kapital, das eine besondere Geldform ist (Marx), ist es die Lohnarbeit, die eine besondere Form des Kapitals ist. Was behauptet Marx? Daß das Kapital die moderne Epoche charakterisiert. Er hat unrecht. Eine neue Geldform, die den Keim des Verfalls des Kapitals in sich trägt, charakterisiert die moderne Epoche. Man erkennt sehr gut die Marx’schen Motive, wenn man die ungewollte List des Feindes erkennt. Der Feind behauptet nicht nur, daß das Kapital als unmittelbare Form des Geldes schon seit Ursprung des Geldes existiert hat. Er behauptet, daß das Kapital eine Produktionsform ist und er behauptet weiterhin, daß diese Produktionsform immer existiert hat. Aber das Kapital kann nicht immer als Produktionsform existiert haben, denn das Kapital ist keine Produktionsform. Das Kapital ist eine Form der Publizität oder besser eine Form der Abwesenheit von Publizität. Marx folgt der Richtung, die der Feind ihm weist. Er kämpft ein Leben lang, um zu beweisen, daß das Kapital nicht immer als Produktionsform existiert hat, ohne auch nur einen einzigen Moment daran zu denken, daß das Kapital keine Produktionsform ist und die Analyse der Produktionsformen, der Skalen der Verarbeitungen, auch nicht die geringste Bedeutung für sein wirkliches Vorhaben hat, das auch das unsere ist. Das löst eine katastrophale Folge von Irrtümern aus. Es ist völlig falsch, daß: "die Transformation des Geldes (...) im Kapital sich nur dann vollzieht, wenn die Arbeitskraft, für den Arbeiter selbst, in eine Ware umgewandelt worden ist, also wenn die Kategorie des Handels von einer Sphäre Besitz ergreift, die ihm zuvor verschlossen war." I) Es ist völlig falsch, daß die Umwandlung des versklavten oder freien Arbeiters in einen Lohnarbeiter für die Bildung von Kapital notwendig ist, ganz im Gegenteil erfordert diese Umwandlung eine beachtliche Entwicklung des Kapitals, des Handels. II) Ferner ist die "Arbeitskraft", die Kraft des Arbeiters also, in der Hauptsache, eine Zwangsvorstellung im Kopf des ausbeutenden Kapitalisten. Er ist von dieser Kraft, die er immer zu schwach und zu kostspielig findet, besessen. III) Aber vor allem ist es völlig falsch, daß die Arbeit (Smith) und die Kraft des Arbeiters (Marx) zu Waren werden. Eine Ware ist vor allem ein Ding, das denkt. Hier also endlich die Wahrheit über diese fundamentale Frage was für den Arbeiter selbst in Ware umgewandelt wird, das sind die Produkte, von denen er sich zu ernähren pflegte. Erst dann ist der Lohnarbeiter gezwungen, Geld zu beschaffen. Erst dann kann der Kapitalist leicht Produktionskosten kalkulieren. Hier also die wirkliche Definition eines Lohnarbeiters: ein Lohnarbeiter ist ein Sklave, der sich von Waren ernährt. Diese Absurdität der "Arbeitskraft", die zu einer Ware wird, ist sicher der katastrophalste Irrtum von Marx. Ein Irrtum, der es dem bolschewistischen Lumpenpack ermöglicht, sich hundert Jahre später zu fragen, ob der Lokomotivführer Mehrwert produziert oder nicht, ein Irrtum also, der es seit hundert Jahren ermöglicht, von der Frage der Entfremdung abzulenken. IV) Die Sphäre, von der die Kategorie des Handels Besitz ergreift, ist nicht die der mythischen Arbeitskraft oder die der Arbeit, sondern die der Ausbeutung. Der neue Ausbeuter-Typ wird zum Händler. Das Ziel des neuen Ausbeuters ist das Geld und nicht mehr der provinzielle Genuß des alten Herren. V) Marx verbringt sein Leben damit, zu beweisen, daß der Arbeiter "eine gewisse Zeit" für seinen Arbeitgeber, für die Gesellschaft, für den Staat arbeitet, was zur unmittelbaren Konsequenz hat, anzudeuten, daß das Glück darin besteht, alles zu fressen, was man produziert, ein Tier zu sein, aber besonders völlig zu verbergen, daß der Arbeiter seine ganze Zeit, sein ganzes Leben, dem Aufbau einer absurden Welt widmet, die ihn in nichts betrifft. Und das nicht nur während der paar Stunden, in denen er für die stupiden Bedürfnisse seines Arbeitgebers arbeitet, oder in denen er für die Erneuerung der Mittel arbeitet, die es ermöglichen, eine stupide Welt zu produzieren, sondern auch während der Stunden, die er seiner eigenen Erhaltung widmet, da diese Erhaltung die eines stupiden Tieres ist. Diese Stupidität beschränkt sich nicht nur auf die Zeit, die der Arbeiter damit verbringt, Waren zu produzieren, sondern umfaßt auch die Zeit, die er damit verbringt, sie zu vernichten. Seine ganze Zeit verbringt der Arbeiter damit, Waren zu produzieren und dann zu vernichten. Seine ganze Zeit verbringt der Kapitalist damit, darauf zu achten, daß sich die Waren gut unter sich austauschen. Aber es sind die Waren, die die ganze Zeit die Humanität praktizieren, immer sind es die Waren, die sich mittels menschlicher Trägerfunktion universell unter sich austauschen. Das alltägliche Leben ist das auf das Tragen von Waren reduzierte Leben.


3. Das Kapital ist das Geld, das zu Kopf steigt.

Die moderne Form des Geldes ist nicht das Kapital, die moderne Form des Geldes ist der Lohn. Ganz im Gegenteil, ist das Kapital die unmittelbare Form des Geldes, seine archaische Form. Marx verkennt diesen veralteten Charakter des Kapitals nicht. Er spielt oft darauf an. Er verkennt auch das Konzept des Kapitals als unmittelbaren Widerspruch des Geldes nicht. Man findet dieses Konzept in dem von ihm selbst korrigierten Teil seines Werkes. Wenn das Geld, diese Idee, die in allen Waren steckt, auf den Einfall kommt, in einen Kopf zu steigen, wechselt es den Namen, denn es wechselt die Natur. Die Existenz des Geldes, als Idee in einem Kopf, ist grundverschieden von seiner Existenz als Idee in den Dingen oder von seiner Existenz als reines bloßes Ding. Es ist sehr genau seine Existenz als reines, bloßes Ding, die seiner Existenz als Idee in einem Kopf schroff widerspricht. Die Existenz des Geldes als Idee in einem Kopf, ist die Idee, daß Geld alles kaufen kann. Tatsächlich kann es, in der Realität, nicht alles kaufen, da das Geld in der Realität nicht nur eine Idee in einem Kopf ist, sondern auch ein Ding und auch eine Idee in allen Dingen. Als Ding in einer Tasche existiert das Geld immer nur als bestimmte Quantität, als Quantum, es kann nur eine beschränkte Quantität von allem, was existiert, kaufen und das größte Vermögen ist lächerlich im Verhältnis zu allem, was existiert. Als Ding in einer Tasche ist das Geld Geld pro Kopf. Das Geld, die Idee von allem Existierenden, ist als Ding unmittelbar begrenzt. Es besteht unmittelbar schroffer Widerspruch zwischen ihm selbst als Idee und ihm selbst als Ding. Das Geld ist unmittelbar der schroffe Widerspruch zwischen der Idee und dem Ding. Deshalb braucht das Geld nur in einen Kopf zu steigen, um das, was fehlt, was mangelt, was sich vermehren muß, zu werden, damit das Geld zu Geldgier wird. Das Geld hat unmittelbar Geld zum Ziel. Das Geld ist nicht nur ein Objekt des Wunsches, sich zu bereichern, es ist dieser Wunsch selbst. Die Geldleidenschaft ist etwas anderes, als ein bestimmtes Bedürfnis nach Kleidern, nach Waffen, nach Schmuck, nach Frauen oder nach Wein. Die Leidenschaft des Geldes ist die Leidenschaft der Universalität, sie ist die Leidenschaft, alles zu sein. Das Geld ist unmittelbar der Widerspruch zwischen der Idee von allem, was existiert, und allem Existierenden. Das Kapital ist das Geld, das sich als Geld realisieren will. Das Kapital ist das Geld, das zu Kopf steigt. Das Geld ist unmittelbar eine Lüge über das Geld: während das Geld wesentlich das, was fehlt, der existierende Mangel ist, ist das Kapital als Idee im Kopf eines Kapitalisten und als Aktivität des Kapitalisten das was fehlt, aber sich unendlich vermehren kann. Es ist das Geld, das sich realisieren will, ohne sich aufzuheben. Der Fluch des bürgerlichen Denkens ist es, das Geld realisieren zu wollen, ohne es aufzuheben.


4. Die Lohnarbeit ist das Geld, das seine Illusionen verliert.

Die Originalität der Lohnarbeit besteht nicht in der Lohnarbeit, besteht nicht in der Ausbeutung, sondern im Gegenteil in der Tatsache, daß der Ausgebeutete seinerseits die Magie des Geldes kostet. Der Lohnarbeiter ist ein Sklave, der Zugang zum Markt hat, dem Ort, an dem das Geld seine Macht, das Spektakel seiner Herrlichkeit, entfaltet. Es besteht kein Unterschied zwischen den Unglücklichen, die die große chinesische Mauer und die ägyptischen Pyramiden gebaut haben, und den Unglücklichen, die Hundefutterpyramiden bauen. Doch es gibt einen. Die Zweiten ernähren sich von Waren. Mit der Lohnarbeit kosten die Sklaven zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit die Entfremdung. Bis dahin waren die Entfremdungssphäre und die Ausbeutungssphäre eines außerhalb des anderen. Die Entfremdung war ein trauriges Privileg, ein dem Herren, den reichen Herren, die sich in Seide, Brokat, Samt ruinierten oder aber den reichen, aufs Geld versessenen Kaufleuten vorbehaltenes trauriges Privileg. Der Sklave, der Leibeigene, war vor jedem Kontakt mit dieser infernalen Sphäre geschützt. Die Ausbeutung produzierte die Entfremdung des Herren und nicht die des Sklaven. Die Entfremdung des Herren war übrigens das einzige "Ding", welches die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wirklich produziert hat. Die Entfremdung der Menschheit konnte sich nur bei den "Menschen" vollziehen (und nicht bei denkenden Viechern, den Sklaven). Die Entfremdung ist der Schaden, den sich der Ausbeuter antut, indem er seine Menschlichkeit mittels der Arbeitsprodukte seines Sklaven zu behaupten sucht. Wenn das Kapital von der Ausbeutung Besitz ergreift, zwingt es eine andere Art von Menschen als den Kapitalisten oder den reichen Ausbeuter dazu, Geld zu suchen. Er überträgt die Geldgier auf eine neue Gattung von Menschen und verweigert ihnen die Mittel zur Befriedigung dieser Gier. Zum ersten Mal in der Geschichte der Welt kosten die Sklaven die "Humanität" der Herren. Aber als Sklaven sind sie aller Illusionen der Reichen über den Reichtum, dieser sehr wirklichen, sehr praktischen Illusionen, die in der wirklichen, praktischen Möglichkeit bestehen, sich zu bereichern, unmittelbar beraubt. Der Lohnarbeiter hat gute Aussichten, unmittelbar (in einigen Jahrhunderten) mit der Entfremdung unzufrieden zu sein. Der Lohn ist die moderne, entwickelte Form des Geldes: das arme Geld. Das Kapital war nur die unmittelbare Form des Geldes, die Form voller Illusionen über sich selbst, des Geldes also, das sich unendlich vermehren kann. Mit der Lohnarbeit dringt das Geld in neue Köpfe ein und enthüllt sich als das, was es (im Wesentlichen) ist. Mangel und Nützlichkeit, Kleinlichkeit und Prosaismus, das heißt, das Gegenteil von dem, was es zu sein vorgibt. Die Lohnarbeit enthüllt das Wesen des Geldes, das darin besteht, wesentlich und heillos, zu fehlen. Im Kopf eines Lohnempfängers bleibt das Geld eine Idee, die gebieterisch ihre Realisation verlangt, ebenso wie im Kopf eines Kapitalisten, aber in einem derartigen Kopf (dem des Lohnempfängers), ist diese Idee zur Ohnmacht verurteilt. Das, was der warentragende Proletarier entdeckt und der geldtragende Kapitalist nicht entdecken kann, ist, daß das Geld ein soziales Verhältnis ist und daß dieses soziale Verhältnis die Abwesenheit jeden sozialen Verhältnisses ist. Der Proletarier entdeckt, daß das fundamentale seines Leidens darin besteht, sein Leiden nicht benennen zu können: er hat zu diesem Leiden nichts zu sagen, er ist sogar dessen beraubt. Sehr gut. Sein Leiden ist es, eben nichts über sein Leiden sagen zu können. Der Proletarier leidet an der ganzen Welt, der Proletarier leidet an allem. Er ist dazu verurteilt, alles oder nichts zu verstehen. Der Kapitalist begnügt sich damit, Geld zu suchen, der Staatsmann damit, die Macht zu suchen. Der Proletarier, der in einer kurzen Periode von einigen Jahrhunderten dazu gezwungen war, Geld zu suchen, ist bereits dazu gezwungen, das Denken zu suchen. Das Rätsel, das sein Leiden geworden ist (der Sklave wußte, worunter er litt, wenn sein Herr böse war), ist sein wirkliches Leiden. Sein Elend ist wirklich geworden, weil es ihn zwingt, das Denken zu suchen. Es zwingt ihn dazu, alles zu begreifen. Hastig und übereilt geht das akademische und politische Lumpenpack daran, "seine" Antwort auf dieses Rätsel zu liefern, das wirklich zu gefährlich wird, das zu offensichtlich gefährlich für sie geworden ist, weil dieses Rätsel anfängt, selbst seine eigenen praktischen und theoretischen Antworten zu liefern. Das Elend der Proletarier erkennt sich schließlich als Elend des praktischen Denkens, als Denken, dem es mißlingt, sein eigenes Elend zu begreifen.


5. Mit der Lohnarbeit geht die Ausbeutung in die universelle Entfremdung über.

Wenn der Handel sich der Ausbeutung bemächtigt, wenn der Handel die Sklaverei abschafft, sagt er zum Ausgebeuteten: "Sei ein Mensch, komm, nimm dieses Geld." Der neue Herr verseucht selbst den freigelassenen Sklaven mit seinem eigenen Goldfieber, mit seiner eigenen Idee von Humanität. Und so vollzieht sich im Verlauf von drei Jahrhunderten folgende Umwälzung: nur in der Ausbeutungssphäre selbst kann der Ausgebeutete seine Humanität noch behaupten. Außerhalb dieser Sphäre, da, wo der Bourgeois ihm die Qualität, Mensch zu sein, zugesteht (will heißen die Qualität des Bourgeois, die Qualität des Warenkonsumenten), kann er seine Humanität absolut nicht behaupten, den antiken Herren kam es wenig darauf an, ob sein Sklave "eine gewisse Zeit" für ihn arbeitete. Ihm kam es darauf an, daß sein Sklave ein beliebiges Viech blieb, während er, der Herr, Humanität praktizierte. Für den Herrn gab es keinen Unterschied zwischen seinem Ochsen und seinem Sklaven. Er machte sie beide, er schätzte ihre Stärke, ihre Freundlichkeit, ihre Geduld. Er behandelte sie mit Gutmütigkeit, solange sie nicht auf den Einfall kamen, die Humanität zu beanspruchen, was selten vorkam. Alles ändert sich, als der Handel sich selbst der Ausbeutung annimmt. Er lädt den Ausgebeuteten ein, außerhalb der Fabrik ein freier Mensch zu sein, will heißen, ein Mensch, der Geld hat, aber wie alle Herren bittet er ihn, in der Fabrik ruhig zu bleiben. Vergeblich! Er selbst hat dem freigelassenen Sklaven sein eigenes Goldfieber übertragen, er selbst hat ihn an seiner Leidenschaft für das humane Metall beteiligt, aber er enthält ihm die Mittel vor, diese Leidenschaft zu befriedigen. Er hat den Wolf in die Schafsherde getrieben. Er legt seinem Sklaven die Idee der Humanität in die Hände und wundert sich, sie in dessen Kopf wiederzufinden. Was sagt die politische Ökonomie? Daß die Arbeitskraft eine Ware ist. Was sehen wir? In dieser Gesellschaft sind die einzig wirklichen menschlichen Beziehungen, die die Menschen bewahrt haben, die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten unter sich, wie es Freud, ein berühmter Psychoanalytiker der Jahrhundertwende, sehr treffend bemerkte. Die einzigen Beziehungen, die noch zwischen den Menschen bestehen, ist der bittere Streit zwischen den Herren und den Sklaven, die die Lohnarbeit mit sich gebracht hat. Die Institutionalisierung des Lohns und die Geschichte dieser Institutionalisierung ist eine scharfe Streiterei, um festzusetzen, wie viele Waren der Lohnarbeiter (dieser Mensch, der sich von Waren ernährt) tragen darf, und die ganze Erde bebt seit zwei Jahrhunderten von diesem lärmenden Streit. Die ganze Erde ist in ein Carreau du Temple45 verwandelt. Die Festsetzung des Lohns ist also genau das Gegenteil der Festsetzung des Preises einer Ware. Hier sind es nicht die Dinge, die denken und ihr Denken realisieren. Es sind in der Tat die Menschen, die sich streiten, die kämpfen, die Ränkel miteinander haben. Die Lohnarbeiter verlangen wild das Recht, ausgebeutet zu werden (das Recht auf Arbeit), das heißt, das Recht viele Waren zu tragen, und um das zu realisieren, das Recht, viele Waren, immer mehr Waren zu produzieren. Für eine gewisse Zeit ist die zentrale Frage der Entfremdung völlig in Vergessenheit geraten. Am Ende dieses Streites läßt sich der Ausbeuter davon überzeugen, daß es in seinem Interesse des Handels, der Ware liegt, daß der Lohnarbeiter so viele Waren wie möglich, wenn möglich alle Waren tragen darf, daß alle Waren für den Lohnarbeiter produziert werden. Der Ausbeuter hat sich also entschlossen, die Frage der Ausbeutung endgültig zu regeln. Aber da enthüllt der Konsum aller Waren durch alle Lohnarbeiter, daß, welchen Anteil (immer diese Kinderei der Anteile des Kuchens) an Waren der Herr dem Ausgebeuteten auch zugesteht, daß dieser kein Mensch werden kann, daß seine Menschlichkeit niemals durch Lohn realisiert werden kann. Das findet im modernen Spektakel seinen Höhepunkt. Alles, was der lohnabhängige Sklave heute produziert, produziert er für sich. Für ihn ist diese ganze Welt bestimmt, mit ihren Autobahnen für den schwachsinnigen Autofahrer, ihren Fernsehapparaten für den schwachsinnigen Fernsehzuschauer, ihrer Polizei, um ihn zu beschützen, ihren Regierungen, um ihn zu regieren, mit ihren B 52-Bombern, um ihn zu bombardieren und ihrem Napalm, um effektvolle vermischte Nachrichten für den schwachsinnigen Linken zu schaffen etc.. Ja, tatsächlich, der Feind hat die Frage der Ausbeutung gut geregelt und der bolschewistische Dreck hat dabei eine nicht unbeachtliche Rolle gespielt. Der Lohnarbeiter kann jetzt feststellen, daß er auf die einfache Rolle des Warenträgers reduziert ist, daß nur der kurze Augenblick, in dem er die Ware trägt, um ihr zu ermöglichen, sich als Geld zu realisieren, seine soziale Existenz ausmacht. Und unmittelbar darauf stirbt die glänzende Ware, wie die meisten männlichen Insekten nach dem kurzen Koitus von ihrer Kopulation mit dem Geld erschöpft. Der Konsument hat nurmehr einen lästigen Leichnam in den Händen, den er um jeden Preis loswerden muß. Der Konsument ist lediglich der Tierarzt der Waren. Er ist der Praktiker, der ihre kurzen Liebschaften mit dem Geld betreut. Er sorgt für ihre monströse Fortpflanzung. Man begreift also, zu welch unverschämtem Herumhuren sich die Waren (durch den Mund ihrer publizistischen Zuhälter) hingeben. Für sie ist das eine Frage von Leben oder Tod. Wenn der Kunde nicht kommt, sterben die Waren vor der Kopulation mit dem Geld. Sie sterben, ohne reproduzieren zu können. Auch unternehmen sie, unter unablässigem Schwätzen, das ihr wirkliches fundamentales Geschwätz verdeckt, alles, um ihren Träger davon zu überzeugen, daß sie - diese oder jene besser als die anderen - fähig sind, alle Blicke auf sich zu ziehen und sei es, auch nur für einen kurzen Augenblick. Aber der Warenträger, der alle Blicke auf sich ziehen will, kann selbst nicht einmal die geringste Aufmerksamkeit erregen. Nach einem Jahrhundert erbitterten Kampfes kommen wir zu dieser grotesken Situation: berauscht vom armen Geld, berauscht vom Wunsch, sich zu bereichern, haben die lohnabhängigen Sklaven wild das Privileg für sich beansprucht, alle Waren zu tragen. Sie haben wild das Recht beansprucht, der Ware treu zu dienen. Heute tragen sie selbst fast alle Waren. Nicht zufrieden damit, verlangt das Selbstverwaltungslumpenpack das Recht, absolut alle Waren zu tragen, auch die inbegriffen, die die Politische Ökonomie als Kapital bezeichnet. Diese Art von Waren trugen die Kapitalisten bislang selbst. Die selbstverwaltende Fäulnis will, daß die Proletarier auch diese tragen. Und bekanntlich sind ja auch Polizisten Arbeiter. Nach einem Jahrhundert verbissenen Kampfes haben es die Lohnarbeiter, von nichts ausgehend, doch endlich zum Elend gebracht. Der Kapitalist ist ein Mensch, der Geld realisieren will. Der Lohnarbeiter ist ein Mensch, der die Ware realisieren will. Der Kapitalist will die himmlische Existenz der Ware realisieren. Der Lohnarbeiter will die irdische Existenz des Geldes, das sichtbare Geld, realisieren. Der Kapitalist ist ein Geldträger. Der Lohnarbeiter ist ein Warenträger. Die Kapitalisten sind in einer Klasse organisiert. Die Lohnarbeiter bilden eine Masse. Die Anstrengungen der einen, wie die der anderen, haben nur eine Wirkung: den freien Austausch der Waren unter sich. Die Produktion und dann die Destruktion der Waren nach dem Austausch. Eine Wirtschaftskrise ist ein großes Unglück für die Waren: sie werden vor dem Austausch zerstört, sie werden zerstört, bevor sie den Austausch, bevor sie die Humanität praktizieren konnten. Für einen Augenblick kennen die Waren das gleiche Los wie die Proletarier. Was für ein Skandal!


6. Die Entwicklung der Lohnarbeit stellt universell die Frage des universellen Reichtums.

Die Position der Politischen Ökonomie bezüglich des Reichtums läuft auf folgendes hinaus: der Reichtum besteht in den Produkten der Arbeit (Smith); doch das Kapital verleiht der Arbeit Wirkung, es läutert und teilt die Arbeit, ohne das Kapital wären diese Produkte nicht. Demnach wäre also das Kapital der Mitschöpfer des Reichtums. Diese Auffassung vom Reichtum ist wie jede andere Auffassung der Politischen Ökonomie falsch. Sie beabsichtigt nur, die Frage der Entfremdung zu verschweigen und diese auf die Frage der Ausbeutung zu beschränken, also eine gerechte Verteilung der materiellen Trivialität zu suchen. Diese Auffassung will verschweigen, daß der Reichtum nicht in den Arbeitsprodukten, sondern im universellen Austausch der Aktivitäten und der Produkte der Aktivitäten, im Akt selbst der unendlichen Aufhebung, der unendlichen Arbeitsteilung liebt. Sie will also verschweigen, daß das Kapital diese Aktivität der Teilung und Aufhebung der wahre Reichtum, der ganze Reichtum ist. Sie will verschweigen, daß das Kapital die Aktivität einer Klasse ist, die den ganzen Reichtum der Erde, die ganze Aktivität der unendlichen Teilung, der unendlichen Aufhebung der Arbeit, die ganze Aktivität des in sich Erscheinens der Welt46, die ganze Scheinaktivität47 von allem Existierenden erwuchert hat. Was uns der scheinheilige Smith weismachen will ist, daß sich der ganze Reichtum nicht auf der Seite des Kapitals befindet, sondern daß er auch in den Arbeitsprodukten, auch in der Arbeit liegt. Auf diese Weise kann und will die Gegenspionageoperation der Gevatter Smith und Ricardo als großzügige, wissenschaftliche Rehabilitation der Arbeit erscheinen, nach dem Prinzip: man muß der Arbeit geben, was der Arbeit gebührt48. Was die beiden Gevatter der Arbeit zurückgeben wollen, ist die Trivialität, die ihr immer zugehörig war, nachdem die Klasse, der Smith und Ricardo angehören, sich des wirklichen Reichtums, der weltweiten Aufhebung der Arbeit angenommen hatte. Heute ist es vollkommen klar, daß das, was der Arbeit gebührt, die Aufhebung der Arbeit ist. Smith und Ricardo möchten gern verschleiern, daß das Kapital ein wirklicher Wohltäter der Menscheit ist, nicht etwa weil es die materielle Trivialität entwickelt, sondern weil es der Menschheit den unstillbaren Durst nach Menschlichkeit vermittelt. Das Kapital ist ein Wohltäter der Menschheit, wenn es ihr durch die Entwicklung der Lohnarbeit aufzeigt, worin der wahre Reichtum besteht, auf welche Art und Weise es den ganzen Reichtum der Welt in sich konzentriert hat, inwiefern es die ganze weltweite Funktion des Austausches vertritt, inwiefern es sich total mit dem in sich Erscheinen der Welt identifiziert. Es ist ein Wohltäter der Menschheit, wenn es ihr das wirkliche, von der Ausbeutung verfolgte Ziel aufzeigt. Was sich die herrschende Klasse und ihr Staat tatsächlich zu eigen gemacht hat, ist der Akt selbst der Aufhebung der weltweiten Teilung der Arbeit. Darum ist sie letztlich auch dazu bereit, den Proletariern die ganze materielle Trivialität zuzugestehen, vorausgesetzt, daß das Wesentliche nicht aufs Spiel gesetzt wird, daß sie das Monopol der unendlichen Aufhebung, der unendlichen Teilung der Arbeit beibehält. Wir sind in vollkommener Übereinstimmung mit Hegel: das Schöne an der Arbeit ist die Abstraktion von ihr. Das Schöne an der Arbeit ist ihre Aufhebung. Nicht den Händlern müssen wir beibringen, was die leidenschaftliche Praxis des Handelns, die wilde Freude der Praxis des Geldes um seiner selbst willen ist. Ihnen können wir nicht beibringen, daß das Ziel des Geldes das Geld ist und daß es sich selbst genügt. Dagegen möchte uns der Händler oder besser der, den er für das Denken bezahlt, etwas beibringen, das seiner täglichen Praxis widerspricht. Er möchte uns beibringen, daß der Reichtum in den Arbeitsprodukten liegt. Die ganze Nützlichkeitslehre der Politischen Ökonomie verfolgt nur ein Ziel: die Aufmerksamkeit von der wirklichen Frage des Reichtums, von der wirklichen Aktivität des Händlers abzulenken. Der Handel ist in Wahrheit die spezialisierte Praxis des Reichtums. Für die Politische Ökonomie ist der Mensch nur eine Hyäne, die vom Festmahl der Dinge profitiert. Während sich die Dinge unter sich austauschen, profitiert der Mensch von ihnen und macht von ihnen Gebrauch. Was Smith und Ricardo verlangen, ist die Freiheit für die Dinge, sich auszutauschen, damit die Menschen unbekümmert profitieren können49. Dies wird von Smith durch die lächerliche und berühmte Robinsonade des Jägers und Fischers veranschaulicht. Tatsächlich ist der Tauschhandel die utilitaristische Auffassung des Austausches, die einzige Auffassung zu der das, durch den Idealismus des Geldes erzeugte, niedrig utilitaristische Denken gelangen kann, wenn es gilt, den Austausch zwischen den Menschen und nicht mehr einen Austausch zwischen den Dingen zu konzipieren. Der moderne Dummkopf kann sich für den Austausch zwischen den Menschen nur niedrig utilitaristische Antriebe vorstellen und das nennt er dann Tauschhandel. Die Ethnographie hat all diese utilitaristischen Robinsonaden ruiniert. Die höchsten Formen des Austausches bei den Wilden beziehen sich auf Objekte, die die modernen Utilitaristen für unnütz halten, das heißt auf Objekte, deren einziger Zweck es ist, den Austausch zu ermöglichen. Die Politische Ökonomie will den Lohnarbeiter auf das niedrigste Niveau des Utilitarismus reduzieren. Doch der wirkliche Lohnarbeiter erfährt mit jedem Tag mehr, daß es im Konsum der Waren, im Konsum der Arbeitsprodukte, die die Idee des Austausches beinhalten, gar nicht um Nützlichkeit, sondern um Humanität geht. Der Folgesatz der utilitaristischen Konzeption ist die niedrig utilitaristische Konzeption des Kommunismus, die bürgerliche Konzeption des Kommunismus (diese berühmte Konzeption, in der man vormittags fischen und nachmittags zur Jagd geht und sich am Abend mit Theorie befaßt) gleicht einem Schlaraffenland voller Candyzucker, Wurst und Vögelein. Unsere Auffassung vom Kommunismus ist ganz im Gegenteil die einer Welt, in der man Tag und Nacht schwätzt, eine Welt, in der man die Theorie auf der großzügigsten Ebene praktiziert: auf der des Universums. Desgleichen ist die Faulheit die utilitaristische Konzeption der Aufhebung der Arbeit und bricht nicht grundsätzlich mit der unterwürfigen Arbeit. Die Faulheit ist die Forderung eines Sklaven, der die Faulheit (die Niedrigkeit) seines Herren beneidet. Diese Konzeption ruinierten sowohl der Kapitalismus als auch die Ethnographie. Sie zeigt uns die Mühe, die sich die Trobriander50 geben, um eine kula Situation zu schaffen; der Kapitalismus zeigt uns die Mühe, die sich der handelnde Herr gibt, um den Reichtum zu realisieren. Das Tiefste und Einflußreichste in der S.I. ist eben ihre praktische Definition als Schaffung von Situationen, das heißt, von Situationen als der einzigen, wirklichen Produktion der menschlichen Aktivität.


7. Nieder mit dem Proletariat!

Was den senilen, schwachsinnigen und universitären Marcuse vergrämt, erfreut uns: das Proletariat ist endlich von der Bühne der Geschichte abgetreten. Das spektakuläre Proletariat ist verschwunden. Scheiße auf das spektakuläre Proletariat. Scheiße auf das Spektakel des Proletariats. Aber auf jeden Fall nieder mit dem wirklichen Proletariat, nieder mit den Bedingungen, denen diese Welt die Proletarier aussetzt. Nieder mit der Welt. Wer sonst könnte ein Interesse daran haben, sich zu fragen, was aus den Proletariern geworden ist, wenn nicht irgendein arbeitsloser Manipulator, der darauf brennt, ihrer Herr zu werden, um ihnen die russische oder chinesische Lebensart in irgendeiner "Übergangsperiode" beizubringen, oder aber irgendein Beamter aus dem Polizeiministerium. Die Proletarier sind in den Untergrund gegangen. Aus dieser Tatsache heraus sind sie wesentlich anti-spektakulär. Sie sind das, was nicht scheint51. Sie sind endgültig vor jeder Vertretung, vor jedem Spektakel, vor jeder Polizei geschützt. So mancher sehnt sich wehmütig nach der guten, alten Zeit des spektakulären Proletariats. Und dieser Fortschritt entspringt dem Spektakel selbst. Das Ziel des Spektakels ist die spektakuläre Aufhebung des Proletariats. Ihm ist es lediglich gelungen, das Spektakel des Proletariats aufzuheben. Das triumphierende Spektakel der Befriedigung hat den Ast zersägt, auf dem es saß. Heute überschlagen sich alle Machthaber, Freunde und Anbeter der Machthaber, wie die jungen Teufel, um den umtrauerten Verstorbenen durch das Spektakel der Unzufriedenheit zu ersetzen. Die S.I. hat den Ruin des Spektakels vollendet. Sie entdeckte als Erste die Untergrundbewegung der modernen Proletarier und erkannte darin ihre neue Kraft. Das Proletariat, als Klasse, ist das Spektakel des Proletariats. Das Proletariat ist keine Klasse. Ebenso wie das Gras die Existenzbedingung der Grasfresser ist, ist das Proletariat die Existenzbedingung der Proletarier. Ein Proletarier ist ein Mensch, der sich ausschließlich von Waren ernährt, das heißt, ein Mensch, der keine andere Aktivität hat, als Waren zu tragen. Die Existenzbedingung der modernen Proletarier ist die Ware. Die vollendete Vorenthaltung jeder Humanität, das heißt, die vollendete Vorenthaltung jeder Existenz, ist die Existenzbedingung der modernen Proletarier. Das Proletariat kann also keine Klasse sein, da die Klasse noch eine soziale Existenzform ist. Die Klasse ist die Existenzform der Bourgeoisie, der Menschen, die den Handel praktizieren, der Menschen, die - jeder für sich - das Geld realisieren wollen, ohne es aufzuheben, der Menschen, die die universelle Aufhebung der Arbeit von anderen praktizieren, der Menschen, die die soziale Funktion des Austausches in Beschlag nehmen, der Menschen, die für die anderen sprechen. Die Aufteilung des Austausches in Kauf und Verkauf, in zwei einander fremde Momente, schafft die Möglichkeit zu kaufen, ohne zu verkaufen (Akkumulation von Waren) und zu verkaufen, ohne zu kaufen (Akkumulation von Geld). Sie ermöglicht die Spekulation, die Akkumulation, das händlerische Plündern. Sie macht den Austausch zu einer besonderen Angelegenheit, zu einem Beruf kurzum, sie schafft die Klasse der Händler. Die Klasse ist die soziale Existenzform der Menschen, die aus dem Austausch (die aus der Praxis der Humanität) ihren Beruf machen. Die Klasse ist kein hohles Wort der Wissenschaft der Gesetze der Klassifizierung (Systematik/Taxonomie). Unter Klasse kann man nicht die bürgerliche Klasse, die Klasse der Proletarier, die Klasse der Weichtiere, einen Beutel weißer Murmeln, einen Beutel schwarzer Murmeln verstehen, das heißt, eine Klasse, die nur als von einer anderen Klasse verschieden existiert. Eine soziale Existenz, die kein leeres Wort der Taxonomie ist, ist eine praktische Existenz. Als soziales Sein der Bourgeois ist die Klasse sowohl ein Verhältnis der Bourgeois unter sich, als auch ein Verhältnis aller Bourgeois zu dem, was sie nicht sind. Das Klassenbewußtsein ist das wesentliche Moment der Klasse, welches ihr ihren Bestand verleiht und zwar nicht nur das individuelle Bewußtsein des Bourgeois, sondern alle praktischen Mittel, mit denen die Bourgeois sich wappnen, um das, was ihrer Klasse nicht angehört, zu bekämpfen. Das Klassenbewußtsein ist das für den Händler typische Bewußtsein. Die Klasse der Händler ist die einzig mögliche Klasse, aber mehr noch, das Bewußtsein der Händler ist das einzige Bewußtsein, das ein Klassenbewußtsein ist. Das Klassenbewußtsein ist das Bewußtsein der Leute, die untereinander in Konkurrenz stehen, die einander bekämpfen, aber eine Einheitsfront nach außen, gegen alles, was nicht ihre Klasse ist, bilden. Das Klassenbewußtsein eint die Bourgeois als praktisch uneinige und idealistisch einige, im Denken einige, Bourgeois. Die Klasse ist die Union der Konkurrenten mit identischem, allgemeinem Interesse und entgegengesetzten besonderen Interessen. Sie ist der Krieg aller Bourgeois gegen alle Bourgeois, aber auch der Krieg aller Bourgeois gegen den ganzen Rest. Jeder anderen sozialen Existenzform gegenüber kennzeichnet sich die Klasse dadurch, daß sie gegen alles, was außerhalb steht, von Leuten, die selbst außerhalb voneinander stehen, gebildet wird. Als einmalige soziale Formierung in der Geschichte, ist die Klasse das absolut Äußere. Außerhalb von Allem, steht sie außerhalb ihrer selbst. Im Gegensatz zur Hierarchie, das heißt, zum Staat, zur Feudalität, setzt sich die Klasse aus Gleichen zusammen. Reiche Händler und weniger reiche Händler sind nicht weniger gleich und zwar, weil der einzelne Geldträger, da das Geld keine individuelle Eigenschaft entwickelt, da das Geld gefunden oder verloren werden kann, sich selbst und den anderen gleich, in seiner Nichtigkeit unverändert bleibt. Fernerhin toleriert die Klasse im Gegensatz zum Staat und zur Feudalität ein Äußeres. Der Staat toleriert ebenso wie die hegelianische Philosophie kein Äußeres, er will in seiner großen Pyramide alles umfassen. Schon zu Beginn definiert sich die Klasse der Händler gegen den Rest der Welt. Da das Geld den Ruin der Gesellschaften, auf die es übergreift, verursacht, wird es gehaßt, gefürchtet und fortgestoßen. Die Händler, die Praktiker des Universellen, sehen sich von den Gemeinschaften ausgestoßen und reisen durch die ganze Welt, was ihre Geschäfte ja schon ohnehin notwendig machen. Wenn der Handel von der Ausbeutung Besitz ergreift, ist er immer die Sphäre, die die Aufhebung der Arbeit praktiziert, die Sphäre des sozialen Austausches, den Proletariern, den Lohnarbeitern, deren Arbeit er aufhebt, entgegenstehend. Und schließlich ist die Auffassung falsch, nach der der Klassenkampf ein Kampf zwischen mehreren Klassen ist. Der Klassenkampf ist der Kampf der einzigen Klasse, die je existiert hat, um zu herrschen und ihre Herrschaft zu bewahren. Einen Klassenkampf gibt es nur als den Kampf der Händler, um zu herrschen und ihre Herrschaft zu wahren und zwar erst nachdem sie den katastrophalen Prozeß der Lohnarbeit ausgelöst haben. Die Bourgeoisie ist prometheisch. Sie entreißt den Menschen ihre Humanität, um sie unerreichbar, aber universell wiederherzustellen. Ihrer Herrschaft und der Kette von Katastrophen, die sie auslöst, haftet so etwas wie ein Fluch an: nicht ihr kommt es zu, das zu realisieren, was sie dem Besonderen geraubt hat, um daraus etwas Wesenloses und Universelles zu machen. Selbstverständlich ist der Klassenkampf auch der Kampf der Eigentümer des Proletariats, derer also, die aus dem Proletariat eine Klasse, ein Spektakel machen, der Kampf aller Stalins und Maos, um eine Herrschaft zu wahren, für die sie teuer bezahlt haben. Das Proletariat als Klasse ist ein, von den Besitzern dieses neuen Bolschoij-Theaters, von allen kleinen, linksradikalen Impresare und ihren schäbigen, hunger-leidenden Gauklern organisiertes Spektakel. Das moderne Proletariat kennzeichnet sich dadurch, daß es keine Klasse bildet und keine Klasse bilden kann. Die Proletarier können sich nicht untereinander bekämpfen und sie können auch Äußeres bekämpfen. Sie sind völlig voneinander getrennt und diese Trennung läßt nichts außerhalb ihrer selbst. Wenn die Proletarier kämpfen, bekämpfen sie kein Äußeres, keine andere Klasse, sie bekämpfen diese Trennung, sie bekämpfen das Proletariat. Die herrschende Klasse kämpft ihrerseits, damit es den Proletariern nicht gelingt, diese Trennung aufzuheben, denn sie ist Besitzer dieser Trennung, Besitzer des Proletariats. Der herrschenden Klasse teuerster Wunsch ist der, daß die Proletarier auf ihrem - dem der Bourgeoisie - eigenen Feld, auf dem Feld des Klassenkampfes und des Staates kämpfen. Der Staat und die Bourgeoisie befürchten nichts mehr, als daß die Proletarier sie eines Tages, da wo sie gerade sind, auf dem Abfallhaufen der Geschichte, im Museum des vorgeschichtlichen Gruselkabinetts im Stich lassen und sich friedlich ihren eigenen Angelegenheiten zuwenden. Doch der Kampf der bürgerlichen Klasse, um jeden Preis zu herrschen produziert eine wachsende Entfremdung und zwingt die Proletarier, endlich mit dem Proletariat und nicht mehr mit der Bourgeoisie ins Gericht zu gehen. Das ist der wahre Fluch der Bourgeoisie. Schon gehen Regierungen in den Streik, sie tun beleidigt wie böse Buben, wenn man ihren Grobheiten - ihrem Ermessen nach - nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt.


8. Die zentrale Frage.

Die Ware und der Staat haben uns dermaßen dumm und beschränkt gemacht, daß die einzig verständliche Sprache, die wir sprechen, die unserer Objekte in ihren wechselseitigen Verhältnissen ist. Wir sind unfähig, eine menschliche Spreche zu verstehen, und diese hat auch keine Wirkung auf uns. Einerseits wird sie als ein Flehen, als eine flehentliche Bitte, und somit als eine in Scham und Erniedrigung ausgedrückte Demütigung betrachtet und empfunden. Andererseits wird sie als eine Frechheit, als eine Verrücktheit, als eine Bedrohung verstanden und als solche abgewiesen. Wir sind dermaßen entfremdet, daß die intime Sprache unseres menschlichen Wesens uns als eine Schmähung der menschlichen Würde erscheint, während wir in der entfremdeten Sprache der Waren den Ausdruck der in ihren Rechten bestätigten, selbstsicheren und sich als solche erkennenden, menschlichen Würde selbst sehen. Warum können die Leute an den -so schlecht benannten - öffentlichen Orten nicht miteinander sprechen? Das ist mithin die einzige fundamentale Frage, die alle anderen beinhaltet. Jede Frage, die vorgibt, an sich selbst irgendein Interesse zu haben, ist eine Fälschung, ein Reformismus, ein Ablenkungsmanöver des Feindes. An dieser Frage, aber ganz besonders an der darauf gegebenen Antwort, erfolgt die Trennung zwischen Freunden und Feinden des Geldes, zwischen Freunden und Feinden des Staates. Die Frage des Schweigens der Leute auf den Straßen ist die zentrale Frage. Die Antwort auf diese Frage ist die strategische Antwort auf alle Fragen. Die Antwort auf diese Frage ist es, die plötzlich ein allgemeines Schwätzen auslöst. Man versteht nur zu gut, daß der Feind alles unternimmt, was in seiner Macht steht, damit es keine Antwort auf diese Frage gibt. Und seine beste Taktik besteht darin, seine eigenen falschen Antworten auf diese Frage zu liefern, anstatt, wie zuvor, zu verhehlen, daß diese Frage schon gestellt ist. Er kann die Frage nicht mehr total verhehlen. Er wird sie also teilweise verhehlen, indem er in Hülle und Fülle Antworten auf sie liefert. Der Feind weiß sehr gut, daß die Antwort auf diese Frage nichts anderes ist, als die Publizität dieser Frage. Publizität ist, wenn die Leute auf der Straße miteinander reden. Die zentrale Frage ist die Frage der Publizität. Publizität, das heißt viel schwätzen.


9. Die theoretische Antwort auf die zentrale Frage.

Die Theorie der Publizität ist die theoretische Antwort auf die zentrale Frage. Die Theorie der Publizität ist die materialistische Theorie des praktischen Schwätzens. Auf die Frage: "Warum können die Leute auf der Straße nicht miteinander reden?" antwortet die Theorie der Publizität: "Weil sie einander nichts zu sagen haben."52 Das bestimmt alle Anstrengungen des modernistischen, kulturellen und anti-kulturellen Dreckpacks zum Scheitern, das behauptet, die Leute hätten etwas zu sagen. Das macht alle vergeblichen Anstrengungen, das dumpfe, glotzende Viech zu "beleben", lächerlich. Aber vor allem antwortet die Theorie der Publizität auf die Frage: "Warum haben sie nichts zu sagen?" und das, weil sie die Theorie des praktischen Schwätzens ist. Sie macht das ganze universitäre, leere Schwätzen über das leere Geschwätz lächerlich. Sie weiß I) um eine Idee zu haben, muß man mindestens zu zweit sein53; II) die Idee des Verhältnisses ist das praktische Verhältnis; III) außerhalb dieses Verhältnisses kann es keine Idee geben; IV) die Realisation dieser Idee ist das Ziel selbst, das ausdrücklich menschliche Ziel dieses Verhältnisses; V) das Schwätzen ist die Praxis selbst dieses Verhältnisses und das Schwätzen hat die Realisation einer Idee zum Ziel. Außerhalb dieses Verhältnisses ist keine Idee, kein Schwätzen, keine Humanität, kein Verhältnis möglich. Es gibt kein wirkliches Verhältnis, das nicht praktisch ist.54 Die Theorie der Publizität weiß, daß das Schwätzen eine praktische Aktivität ist, eine Aktivität, die eine Wirkung hat, daß das Schwätzen der Akt selbst der Aufhebung der Arbeit und das Schwätzen das Ziel selbst dieser Aufhebung ist. Sie weiß, daß die Arbeit erst dann menschlich wird, wenn sie nur noch einem Zweck dient: dem Schwätzen. Die Arbeit wird menschlich, wenn sie das Schwätzen wirklich produziert, das heißt, I) wenn sie Schwätzen produziert; II) wenn sich nichts anderes als Schwätzen produziert, mit anderen Worten, wenn sie bewußt, explizit, theoretisch Schwätzen produziert, wenn sie es zu ihrem Ziel gemacht hat und sich nicht mehr damit begnügt, nur durch Zufall und versehentlich unter anderen, unwesentlichen Dingen Schwätzen zu produzieren. Auf die Frage: "Warum haben die Leute nichts zu sagen?" antwortet die Theorie der Publizität "weil die Waren das Schwätzen, weil die Waren das Denken anstelle der Leute praktizieren, weil die Waren anstelle der Leute Ideen haben, weil die Waren anstelle der Leute menschliche Beziehungen haben. Für die Belgier55 gibt es keine mehr, die Typen sind erledigt." Da das Schwätzen eine praktische Aktivität ist, kann es, seiner materiellen Mittel beraubt, nicht existieren, es sei denn als Parodie, als leeres ohnmächtiges Geschwätz. "Einander etwas sagen" und zwar wirklich einander etwas Wirkliches sagen, heißt Arbeit aufheben. Der Mensch ist diese Aktivität der Aufhebung, dieses Schwätzen, dieses praktische Denken, dieses realisierende Denken. Wo die Dinge schwätzen, wo die Dinge Geist haben, da schweigen die Menschen. Nicht etwa weil die Dinge sie übertönen, sondern, weil sie nichts zu sagen, weil sie keinen Geist haben. Der Geist ist praktisch oder er ist nicht. Seiner materiellen Mittel beraubt, ist er nicht. Der Handel hat die Menschen ihrer materiellen Mittel des Schwätzens beraubt. Die Waren praktizieren an Stelle der Menschen den Austausch. Aber der Handel hat diesen Austausch universalisiert. Die Dinge praktizieren anstelle der Menschen die Humanität, aber sie praktizieren sie universell.


10. Publizität, das heißt viel schwätzen.

Die Publizität erhebt die allgemeine Aufhebung der Arbeit - die lebhaften Streitereien und das unablässige Schwätzen - zum bewußten Ziel und zur Basis jedes menschlichen Lebens. Ebenso wie die einzige wirkliche Produktion der Menschen bislang die Realität der Entfremdung, das Geschwätz der Waren war, ebenso ist in der Publizität die einzig wirkliche Produktion der Menschen das Schwätzen. Jede Aktivität besteht im Schwätzen, dem wahren, dem realisierten Reichtum. Das universelle Schwätzen ist die praktische Realisation des Denkens. Das universelle Schwätzen ist die Vollendung der Humanität, ist die Humanität, die umfassend weiß, was sie ist, weil sie umfassend ist, was sie sagt. Die professionellen Schwätzer, die für die anderen sprechen und dafür bezahlt werden, begreifen völlig, daß in einer Welt, in der man viel schwätzt, wenig Platz für sie ist. Sie werden sich damit abfinden müssen und das macht sie unruhig, denn sie wissen, daß sie auf dem Gebiet des Schwätzens dem Rest der Menschen unterlegen sind und daß nur deren Schweigen ihre kindischen Reden vor der Lächerlichkeit bewahrt. Die professionellen Schwätzer fürchten nichts mehr, als das Schwätzen. Der Plan des Weltreichs ist sehr einfach. Er besteht darin, den Staat und das Geld durch das universelle Schwätzen zu ersetzen. Das Schwätzen ist die wirkliche Basis der Geschichte, die wirkliche Basis des Geistes. Das Schwätzen ist die Einheit des Ziels und des Mittels. Es ist das Ziel, es ist das Mittel. Es ist die Einheit des Systems und der Methode. Das Schwätzen organisiert und produziert das Schwätzen. Alles, was sich dem Schwätzen in den Weg stellt, wird von ihm schonungslos geopfert. Alles was zum Schwätzen beiträgt, wird vom Schwätzen und durch das Schwätzen entwickelt. Das ganze Leben organisiert sich im Hinblick auf das Schwätzen. Das ganze Leben organisiert sich im Hinblick auf das Leben. Das Schwätzen ist keine Entdeckung der Theorie. Wenn die Proletarier schwätzen, bebt die Welt. Das Schwätzen kann aber nur dann triumphieren, wenn die Proletarier entdecken, daß man nicht nur sehr gut vom Schwätzen leben kann, sondern daß das Schwätzen das Leben selbst ist.56 Die proletarische Revolution hängt ganz von der Notwendigkeit ab, daß das Schwätzen als Totalität der menschlichen Praxis von den Massen anerkannt und praktiziert werden muß.


11. An die Waffen, Bürger!

Im sozialen Krieg sind die Massen die Infanterie und die Kavallerie, das heißt von ihnen hängt immer die Entscheidung ab. Die Theorie ist die Artillerie, das heißt das, was immer zu kurz schießt (mit Flegeln kann man gar nicht flegelhaft genug umgehen). Nach der Unordnung, die der großen Schlacht von 1968 folgte, ist die Berührung mit dem Feind wiederhergestellt. Er liegt wieder im Feuer unserer Geschütze. Es gilt, ihm nicht die Möglichkeit zu geben, die Feindberührung zu unterbrechen. Die Dicke Bertha der Theorie hat ihre Stimme wiedererlangt; jetzt darf sie nicht mehr aufhören zu donnern. Wir dürfen dem Feind keine Pause gönnen. Wir müssen sein schwachsinniges Geschwätz mit dem Dröhnen unserer Geschütze zensieren. Kanoniere an eure Geschütze!


Den Feind im Auge, am 2. Dezember 1975, um 10 Uhr morgens.


Oberdada Hegelsturmführer Voyer.

1Dieses Konzept ist durch einen anonymen Korrespondenten zu uns gelangt. Wenn der Geist in Jena zu Pferde war, so kommt er heute mit der Post.

2aus dem Französischen nicht übersetzbares Wortspiel. Im Original: l’Etat des choses = (wörtlich) 1. Staat der Dinge im Gegensatz (!) zu: Zustand der Menschen, 2. Lage der Dinge.

3Stoléru, Lionel, Ökonom aus der Mannschaft des Staatspräsidenten Giscard d'Estaing.

4Attali, Jacques, Junger Star-Ökonom der Sozialistischen Partei in Frankreich.

5Vaneigem, Raoul, ehemaliges Mitglied der "Situationistischen Internationale", Autor u.a. von "Handbuch der Lebenskunst für die jungen Generationen", Hamburg 1977, Verlag Association.

6Debord, Guy, Mitbegründer der "Situationistischen Internationale", Autor u. a. von "Die Gesellschaft des Spektakels", Projektgruppe Gegengesellschaft Düsseldorf, (La Sociètè du Spectacle). Erscheint voraussichtlich neu und in einer vom Autor autorisierten Fassung in unserem Verlag 1978.

7Im Original: "Pour vivre libre", Wahlplakatparole der Kommunistischen Partei Frankreichs.

8Im Original: "changer le monde", "Changer la vie", weitere Wahlplakatparolen der KPF.

9Im Original: "Ministre de la qualitè de la vie", (Minister der Lebensqualität).

10Bridel: traurig-berühmte Camembertsorte

11Man kann nicht ewig den Leuten etwas vormachen, selbst Fallschirmjägern nicht, wie es die Affäre der Sprengung des Senders von Radio-Renescenca und der Aufstand der Fallschirmjäger von Tancos gezeigt hat. (Siehe hierzu: Ch. Reeve, Portugiesische Erfahrung, Hamburg 1977, Verlag Association).

12Das französische Wort rècupèration ist kaum ins Deutsche übersetzbar; etwa: Integrierung.

13Darin besteht selbstverständlich in den Augen des Feindes ihr Hauptverbrechen.

14Garaudy, Roger, (Garaudisque - Voyer übernimmt hier die Marx'sche Polemik der Verfremdung gegnerischer Namen).

15portugiesischer Militär aus den mittleren Rängen.

16"On ne peut plus vivre comme ca". Werbeslogan zum Beitritt in die Kommunistische Partei Frankreichs.

17Castoriadisque = Castoriadis, Herausgeber der rätekommunistischen Zeitschrift "Socialisme ou Barbarie". Er hat unter diesem Namen, oder auch unter den Pseudonymen Lardan und Chaulieu Texte zur Kritik am Leninismus/Stalinismus/Trotzkismus und über den Rätekommunismus veröffentlicht.

18Erheiternde Anmerkung: Erklärung eines schwachsinnigen Witzboldes im Nouvel Observateur vom 7. Juli 1975: "Meines Erachtens ist tatsächlich der Marxismus der Kern des sowjetischen Systems".

19Hier muß man einen Unterschied machen. Wenn die unglaublichen Nachlässigkeiten und Extravaganzen Napoleons in Ligny und in Waterloo, so wie es uns Clausewitz berichtet, ausschließlich Napoleon zuzuschreiben sind, so sind die "Nachlässigkeiten" und "Extravaganzen" von Marx nur den Feinden von Marx zuzuschreiben. Unsere Partei zeichnet sich dadurch aus, daß ihre "Fehler" nur seinen Feinden zuzuschreiben sind. Unsere Feinde sind insofern für unsere "Fehler" verantwortlich, als sie aus der ungenügenden Entwicklung einer Epoche, die von unseren Feinden beherrscht wird, aus der ungenügenden Entwicklung der Herrschaft unserer Feinde resultieren. Unsere Intelligenz besteht in der Kritik der Entfremdung. Der Feind ist der unabsichtliche Autor der Entfremdung. Wir können eine noch nicht existierende Entfremdung, eine Entfremdung die der Feind noch nicht entwickelt hat, nicht kritisieren. Wir können keine höhere Form der Intelligenz haben, die in der Kritik einer höheren Form der Entfremdung besteht, die noch nicht existiert. Unsere Intelligenz ist von der Entfremdung, so wie sie existiert, abhängig, genau wie unten von oben abhängig ist und negativ von positiv. Unsere Intelligenz kann erst absolut werden - das heißt ohne Begrenzung, ohne äußeren Feind -, kann erst dann aufhören, etwas Bedingtes zu sein - das heißt etwas, was seine äußeren Bedingungen, seine Feinde verdrängt hat -, wenn die Entfremdung selbst absolut wird. Wir können unseren Feind nicht endgültig schlagen, solange er uns nicht zu einer endgültigen Intelligenz "gezwungen" hat. Der Feind "liefert" uns den Stoff unserer Kritik. Der Feind kritisiert die Unzulänglichkeit unserer Kritik, indem er sie überlebt. Aber er ist es auch, der uns die Mittel zur Modernisierung unserer Kritik liefert, denn um zu überleben ist er gezwungen, seine Herrschaft zu modernisieren, die Entfremdung zu modernisieren, - er ist gezwungen, uns zu einer höheren Intelligenz zu zwingen. Der Feind wird in seinen Entgegnungen immer intelligenter und schneller, weil wir ihn dazu zwingen, so zu sein. Das ist immerhin eine erfreuliche Beschleunigung der Geschichte, deren Autoren zu sein wir uns schmeicheln können. Die Intelligenz des Feindes führt ihn zu seinem Untergang! Unsere Partei ist unsterblich. Der Feind kann nicht hoffen, mit ihr in irgendeiner Weise fertig zu werden, es sei denn durch die Vernichtung des Planeten.

20Introduction a la science de la publicite, J.-P. Voyer, Ed. Champ Libre, Paris 1975

21Das Unzulängliche im Denken von Marx hat seinen Ursprung in dem, was unzulänglich in der Marx'schen Epoche ist. Das, was im Denken von Marx unzulänglich ist, gehört folglich dem Feind, in dem Maße, in dem die unzulängliche Epoche dem Feind, der sie beherrscht, "gehört". Der Kampf von Marx und der Massen seiner Zeit hat diese Epoche für die Bourgeoisie selbst unzulänglich gemacht, indem er ihre Herrschaft gefährdet. Der Kampf von Marx und der Massen seiner Zeit hat also die Bourgeoisie gezwungen, diese Epoche zu entwickeln, die Entfremdung dieser Epoche zu entwickeln, das heißt letzten Endes, diese Epoche immer radikaler unzulänglich zu machen. Die Grenze der Kritik der Unzulänglichkeit einer Epoche ist keine andere, als die unzulängliche Unzulänglichkeit dieser Epoche.

22Die "wirkliche" Welt ist gegenwärtig eine wirklich umgekehrte Welt, in der die Realität (das Elend der Proletarier) nur ein Teil der "Realität" ist und in der das, was wirklich ist (das Elend), jeder Effektivität beraubt ist und das, was effektiv ist (die Welt, die man in der Lüge der Bourgeoisie über die Welt findet), unwirklich ist.

23Die Allmacht des bürgerlichen Denkens, die Allmacht des falschen Denkens, des sich nie realisierenden Denkens, hat aus dieser Welt eine Welt gemacht, in der das Denken allmächtig ist. Das, was im Vergehen begriffen ist, muß eher in dem betrachtet werden, was sein Wesentliches ist. Das Wesentliche im bürgerlichen Denken ist nicht seine Irrealität, sondern die Allmacht dieser Irrealität über die Menschen. Die Allmacht des falschen Denkens, die Allmacht der Ideologie ist das, was der Allmacht des wahren Denkens, dem sich realisierenden Denken, der Realisation des Denkens den Weg öffnet. Die Aufhebung der Entfremdung nimmt keinen anderen Weg als den der Entfremdung, und die Bewegung, die das Wahre festlegt, und das Wahre selbst, sind im sozialen Krieg eng miteinander verbunden. Die Religion war die ideale Herrschaft über die Menschen durch ihre falschen Ideen über die Welt. Die Ökonomie (die Herrschaft der Bourgeoisie) ist die praktische Herrschaft über die Menschen durch ihre falschen Ideen über die Welt. Das bürgerliche Denken hat das bewaffnet, was es vernichten wird: eine Welt falscher Ideen über die Welt, eine Welt, in der die Menschen in der Praxis durch ihre falschen Ideen beherrscht werden, ist nämlich eine Welt, die einer einzigen wahren Idee ausgeliefert ist, weil sie eine Welt ist, in der die Ideen - richtige oder falsche - allmächtig sind. Nach Hegel ist die Kraft des Geistes ebenso groß wie seine Objektivierung. Die objektiven Bedingungen des Geistes sind nichts anderes, als der objektivierte Geist. Das Weltwerden der Ware ist auch das Weltwerden des Geistes: die Welt des Geistes der Dinge. Da, wo der Geist der Dinge allmächtig ist, ist schon der Geist allmächtig.

24Im Original deutsch.

25Die Objektivität der Geschichte ist nichts anderes, als die Objektivität der falschen Ideen über die Geschichte.

26Im Original deutsch.

27Situationistische Internationale, Die wirkliche Spaltung in der Internationalen, Projektgruppe Gegengesellschaft, Düsseldorf 1973.

28Kämpfen ist für die bürgerliche Klasse eine Fatalität und ein Unglück, weil dieser Kampf widersprüchlich ist. Die Konsequenzen ihres Handelns liegen außerhalb ihres Handelns, sind ihrem Handeln fremd. Die Entfremdung ist zunächst die Entfremdung des bürgerlichen Handelns, die Entfremdung ist zunächst die Entfremdung des Handelns, die Entfremdung der spezialisierten Praxis der Humanität durch eine bestimmte Klasse. Die Bourgeoisie ist verflucht: Nicht ihr kommt die Aufhebung der Entfremdung zu, denn - und das ist die genaue Definition von Entfremdung - diese Entfremdung ist eine Konsequenz, die außerhalb ihres Handelns, eine Konsequenz die außerhalb ihrer Reichweite, außerhalb ihres Verständnisses liegt.

29Trigano, größter französischer Campingmaterialhersteller und Inhaber des CLUB MEDITERRANÉE.

30Dem mitmenschlichen Dummkopf Illitch zufolge, "wenden die hochindustrialisierten Nationen vom Chaos bedroht", in eine "auf post-industriellem Gleichgewicht basierende Produktionsweise getrieben". Für diesen, wie für alle Ökonomen, steht es außer Zweifel, daß die Ökonomie die Realität der Welt ist und die Welt ändern dem Ändern dieser "Realität" gleichkommt. Jedoch ist die Realität der Welt, daß heißt die Realität ihrer Irrealität, nicht die Ökonomie sondern die Ware. Die Realität dieser Welt ist keine "industrielle Produktionsweise", nicht einmal eine tauschhändlerische Produktionsweise, sondern die Ware, die ein besonderer Modus des allgemeinen Austausches, der Publizität oder besser der öffentlichen Abwesenheit der Publizität, der allgemeinen Abwesenheit des Allgemeinen ist. Die Ökonomie ist die bürgerliche Konzeption der Ware, die bürgerliche Konzeption der Irrealität der Welt. Desgleichen möchte der institutionalistische Ökonom Illitch die zentrale Frage der Publizität auf eine bloße Frage des Werkzeugs reduzieren und verhehlen, daß das moderne Werkzeug, bevor es ein Werkzeug zunächst eine Ware ist und daß das grundlegend Schlechte am modernen Werkzeug das grundlegend Schlechte an der Ware ist. Gewiß, alles Schlechte auf der Welt ist, mehr oder weniger, detaillierte Konsequenz der Ware, als Erscheinung, Symptom des händlerischen Übels geworden. Das erlaubt es dem Feind, durch die spektakuläre und selbstgefällige Darstellung dieser detaillierten, schlechten Konsequenzen, das, was gut am händlerischen Übel ist, noch etwas zu verbergen: sein Wesentliches, seine Universalität. Der reformistische Dritte Weltler lllitch bekennt schon zu Beginn seines Buches Die Mitmenschlichkeit klar Farbe: er setzt sich zum Ziel, die der Ware besonderen Grenzen aufzudecken. Er nimmt sich vor zu verbergen, daß die Grenze der Ware die Ware selbst ist. Er ist der perfekte Typ des Quänglers, für den die Leser des Nouvel Observateur so sehr schwärmen. Er ist beispielsweise in der Lage festzustellen, daß sich der Durchschnittsamerikaner in seinem schnellen Auto mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von geschlagenen 6 km/Std. fortbewegt, da er für eine Strecke von 10.000 Kilometern 1.500 Stunden sozialer Arbeit braucht, die er der Konstruktion und Unterhaltung des automobilen Fahrzeugs, der Konstruktion und Unterhaltung der automobilen Straßen, der Kommerzialisierung des automobilen Fahrzeugs, der automobilen Polizei, der automobilen Justiz, der automobilen Hospitalisierung etc. und schließlich der reinen Benutzung des Fahrzeugs widmet. Aber er ist unfähig festzustellen, daß diese 10.000 km unnütz verfahren worden sind, weil der Durchschnittsamerikaner streng genommen niemanden hat, den er wirklich besuchen könnte. Genau da, wo die S.I. die Totalität der Detailkonsequenzen der Ware die Revolution "herbeiführen", das heißt die Intelligenz und den Geist herbeiführen sieht, sieht Reformist Illitch die Totalität der Details eine ökonomische Umwälzung herbeiführen. Es ist völlig klar, daß kein Chaos, keine Gattung der Dummheit oder Barbarei fähig ist, den Geist und die Intelligenz "herbeizuführen" und daß nur die Abwesenheit des Geistes, die Abwesenheit der Intelligenz, das heißt die negative, entfremdete, spektakuläre Realisation des Geistes und der Intelligenz den Geist und die Intelligenz herbeiführen können. "Die objektiven Bedingungen des Geistes sind nichts anderes als der objektivierte Geist". Man muß auch noch die große Beliebtheit des Wortes "global" beim Feind notieren. Ins Reine übersetzt bezeichnet dieses Wort: Gesamtheit der Details, Totalität, die selbst ein Detail ist, Totalität nur für einen anderen, Totalität ausschließlich für die Besitzer dieser Welt.

31Schlacht von Austerlitz, berühmte Schlacht in der Napoleon, so will es die Legende, durch einen plötzlich aufkommenden Nebel begünstigt, einen unverhofften Sieg errang.

32Die sichtbare Welt ist streng utopisch geworden - Utopie von Thomas Moore aus dem Griechischen ou = nicht und topos = Ort: "Ort, der nicht existiert" gebildet. Die Welt, die man sieht, die spielerische Beseelung der Warenträger, existiert streng genommen nirgends, wenn nicht im bürgerlichen Denken, das sich selbstverständlich in anderen als in bürgerlichen Köpfen befindet. Das, was im Gegensatz dazu wirklich ist, das, was überall existiert, ist die Welt, die man nicht sieht, das allgegenwärtige, grenzenlose Unglück. Diese Welt ist also eine Geisterwelt [im Original deutsch], - Welt der Geister und unsichtbare Welt, in der das Sichtbare geisterhaft und das Wirkliche unsichtbar ist -, und nicht etwa ein Weltgeist [im Original deutsch].

33Die Tatsache, daß die Massen die Wirtschaftskrisen als Krisen der Welt gelten lassen, hat zur Konsequenz, daß das Handeln der Bourgeoisie nicht als herrschendes Handeln eines Teils der Welt über den Rest der Welt, als Anmaßung eines Details, die Totalität zu sein, als Diktatur des Details erkannt wird, sondern als legitimes, wissenschaftliches Handeln. Wenn die Ökonomie die Realität der Welt ist, dann ist das bürgerliche Denken und Handeln das von der Welt erforderte Denken und Handeln, ebenso wie das Denken und Handeln des Physikers das von der physikalischen Welt erforderte Denken und Handeln ist, das Denken und Handeln, dem die Erfahrung nicht widerspricht (das Handeln der Bourgeoisie ist ein Handeln, dem die Proletarier nicht widersprechen). Wenn die Wirtschaftskrisen Krisen der Welt sind, dann ist die Welt ökonomisch, dann ist die Ökonomie die Realität der Welt, dann ist das bürgerliche Denken und Handeln das erforderliche Denken und Handeln, dann sind die Bourgeoisie, das Geld und der Staat notwendig, dann gibt es nicht mehr den winzigsten Platz für das Negative in der Welt, für den Geist, für ein anderes Denken und Handeln, als das der Bourgeoisie. Die Bourgeoisie: "Die Ökonomie existiert. Der Beweis: Wir sind unfähig, sie zu beherrschen". Heute, wo die "ökonomische Analyse" beginnt, jedermann zu erheitern, präpariert der universitäre Dreck in aller Hast eine neue "wirkliche" Version der Welt. Die Welt ist nicht mehr ökonomisch, sie ist strukturell und die letzte Instanz ist nicht mehr die Ökonomie, sondern der Kode. Es geht darum, einen alten, abgenutzten Schinken, den Jdanovismus, durch einen anderen noch nicht so vergammelten zu ersetzen. In der jdanovistischen Welt kann die Ökonomie alles (Stalin kann alles) und die Menschen können nichts. In der strukturalistischen Welt kann der Kode alles und die Menschen können nichts. Diese beiden "Welten" sind Welten ohne sozialen Krieg. Der soziale Krieg: da haben wir den Feind! Das universitäre Bedienstetenpack nimmt an, daß auf der ganzen Welt alle Leute ebenso gefügig und resigniert wie sie selber sind; was nicht der Fall ist. Ebenso, wie die Ökonomie das Denken und Handeln der Klasse der Händler ist, ist der Strukturalismus das Denken und Handeln des kommerziellen Staates, der kommerziellen Bürokratie. Die Struktur und der Kode sind die Idee, die sich die Bürokraten von der Welt machen. Ebenso, wie die Ökonomen in Wirklichkeit die Unfähigkeit der Bourgeoisie, die wirkliche Welt zu verstehen, ausdrückt, drückt der Strukturalismus die Unfähigkeit der Bürokratie aus, die wirkliche Welt zu verstehen. Es geht darum, die Unfähigkeit mit der Unfähigkeit zu rechtfertigen, es geht darum, das Unerklärte mit dem Unerklärlichen zu erklären. Der Fluch aller strukturalistischen Säue besteht darin, daß sie, während sie mit ihrer ganzen Epoche den Skandal der Entfremdung entdecken, - also einsehen, daß etwas konzipiert und sich nicht konzipieren läßt -, getreu der Niedrigkeit und Feigheit ihres Überlebens, getreu der Unterworfenheit in ihrem Überleben allem Existierendem gegenüber, auf alle Hoffnung verzichten jemals das konzipieren zu können, was konzipiert und sich nicht konzipieren läßt. Sie haben ihre eigene Ohnmacht und ihre eigene Unterworfenheit zu einem universellen Prinzip erhoben, - hört: "Die ganze Welt ist ebenso blöd und besiegt wie wir. Niemand kann niemals irgendetwas begreifen und besonders nichts daran ändern". Es gibt also Strukturen, das heißt Spuren eines Denkens, ein Andruck des Konzepts. Und Schluß. Es gibt weder Denken noch Konzept. Wehe euch Schwachköpfen. Die Humanität kennt kein Gesetz. Der Klassenkampf existiert.

34Es wird allgemein angenommen, daß auch die Menschen denken. Aber es muß bemerkt werden, daß das Denken der Dinge wahr und das Denken der Menschen falsch ist. Ein wahres Denken ist ein Denken, das sich realisiert. Nur das Denken der Dinge realisiert sich. Das Denken der Menschen realisiert sich nie.

35So kann man in Introduction à la science de la publicité (Einführung in die Wissenschaft der Publizität) unter §58 lesen: "In der Zelebrität geht das Tauschverhältnis den ausgetauschten Dingen voran und ist unabhängig von ihnen." Die korrekte These lautet selbstverständlich: "In der Zelebrität geht die Idee des Tauschverhältnisses den ausgetauschten Dingen voran und ist unabhängig von ihm."

36Wichtigste links-sozialdemokratische Wochenzeitschrift Frankreichs.

37Burleske Anmerkung: der Argumentler Roland Barthes, der seine eigene Fragerei nie ernst nimmt, fragt in Le Monde vom 18. September 1975: "Beginnt Kunst nicht da, wo man die Objekte intelligent macht?" Der Schwachkopf verwechselt Kunst und Handel. Die universitäre Schande verdankt ihre schmale Wichtigkeit dem direkten Lob der Objekte (die unverhilliten Dummheiten eines Dichters sind zwischenzeitig unangebracht geworden), der falschen fragenden Kritik der Ware. Dieser Typ von Leuten wedelt vor dem Objekt wie der Sklave, dem sein Herr gnädig etwas Aufmerksamkeit schenkt.

38"pschitt" = bekannte Limonadenmarke

39"Die Batterie "Wonder" nutzt sich nur ab, wenn man sie benutzt."

40Und umso mehr ein Ausdruck wie "Mehrwert".

41In unserer Welt - der Hegels - stehen sich das leibnitzsche, okzidentale Prinzip der Individualität, als abstrakte und leere Individualität, und das orientale spinozistische Prinzip der Substanz gegenüber: das Geld, als wesentliche Stufe des Entwicklungsprozesses der Humanität, allerdings nicht der Humanität an sich, nicht der absoluten Humanität, sondern der, in der noch beschränkten Form der Notwendigkeit befangenen Humanität: das absolute Ding. Mit dieser Negation von allem Besonderen muß jeder Mensch konfrontiert werden: das ist die Befreiung des Geistes und ihr Fundament. Der Mensch muß, als Proletarier, in diesem Äther des Elends der Substanz baden, in der alles, was er für wahr gehalten hat, untergegangen ist. Der Handel hat sich des negativen Seins der Determination oder der Verschiedenheit bemächtigt und hat das Geld als von der Verschiedenheit Verschiedenes, sich selbst Identisches, hingestellt. Das Geld ist das substanziell Identische, in dem jede Determination untergeht, - die abstrakte, tote Einheit. Der Handel hat die Negation nicht als konkrete, beziehungsweise unendliche Negation, universelles Schwätzen, Bewegung und Leben, begriffen. Man muß schon damit beginnen, Händler zu sein, aber man kann nicht Händler bleiben! Das Geld ist das Wahre, aber es ist noch nicht völlig das Wahre. Das Geld ist die universelle Determination und somit die abstrakte Determination. Wenn man sich an diese Substanz hält, kommt man zu keinem Geist, keiner Aktivität. Das Geld ist nur geronnene, dickflüssige Substanz, noch kein Schwätzen, man fühlt sich nicht heimisch darin ... (der Zuschauer des Spektakels fühlt sich nirgends heimisch). Im Geld wird alles nur in diesen Abgrund der Vernichtung geworfen, aus dem es nicht stammt, und der Besondere, der Proletarier, wird nur dort gefunden, ohne gerechtfertigt worden zu sein. Das den Proletarier betreffende Vorgehen besteht darin, daß man ihn seines Bestimmtseins, Einzelnseins beraubt und ihn in die einzige und absolute Geldnot drängt. Hier liegt das Unbefriedigende am Geld. Die Verschiedenheit ist nur äußerlich vorhanden, bleibt außerhalb, man kann sich unter ihr nichts vorstellen, was zur Folge hat, daß sie sich nicht auf der Straße ansprechen kann, weil sie selbst nichts von sich weiß. "Absolute Macht", "Reichtum allen Inhalts", ist das Geld, als Not und Notwendigkeit, absolutes Verhältnis, Verhältnis des Substanziellen und des Zufälligen, aber das, was gefunden und verloren werden kann, also ist es das, wessen Effektivität etwas Zufälliges ist. Das Geld ist die zufällige Humanität.

42Das ist sehr genau das von der Bourgeoisie verfolgte Ziel: daß niemand weiß, wie man ohne die Bourgeoisie auskommen könnte.

43Es ist nicht so sehr: "die Publizität, die den besonderen Austausch verlassen hat" (Introduction à la science de la publicité §64), sondern der besondere Austausch, der vollkommen verschwunden ist, um zum allgemeinen Austausch zwischen den Dingen zu werden, ein Austausch, der eine sorgfältige Zeitmessung der Aktivität der Warenträger verlangt. Die Verallgemeinerung des Austausches, die Aufhebung dessen, was unabhängig am Austausch ist, ist selbst etwas Unabhängiges, eine neue Unabhängigkeit, die es ihrerseits aufzuheben gilt. Das verallgemeinerte Schwätzen, die Publizität, ist die Aufhebung dieser neuen Unabhängigkeit, absolute Aufhebung also des Austausches, absolute Aufhebung dessen, was die Unabhängigkeit der Arbeit aufhebt und somit absolute Aufhebung der Arbeit.

44Die Hierarchie ist das in der Fabrik herrschende, staatlich-militärische Prinzip. Wenn das Geld von der Ausbeutungssphäre Besitz ergreift, ergreift eben auch das Prinzip dieser Sphäre, vom Geld Besitz. Der Lohn ist das hierarchische Geld. Ebenso wie die Klasse, als soziale Organisation der Händler, die Menschheit vom Staat, diesem kalten Monster, befreien zu sollen schien, so wurde es mit dem bolschewistischen Abenteuer klar, daß der Händler-Staat die Wahrheit der Klasse der Händler ist. Ebenso wie der moderne Staat nicht mehr ohne Geld auskommen kann, kann das moderne Geld nicht mehr ohne den Staat auskommen. Die moderne Bewegung der Lohnarbeit ist die Aussöhnung der feindlichen Brüder durch die Hierarchisierung des Geldes und die Universalisierung des Staates. Bis jetzt war das Geld für den Staat immer die Unordnung, das, was es aufzuheben galt, ohne es zu realisieren. Und der Staat war für das Geld, für den Handel, das Hindernis, das es zu bewältigen galt und das bewältigt wurde. In der Unmöglichkeit, in der sie sich befanden, der eine, das Geld zu realisieren, ohne es aufzuheben, der andere, das Geld aufzuheben, ohne es zu realisieren (die Bolschewiki), versöhnen sich die beiden alten Rivalen in einem Kompromiß. Der Lohn ist das Geld des Staates und der Staat ist der weltweite Kapitalist. Das Kapital ergriff von der Ausbeutung Besitz und schuf die Lohnarbeit. Was glauben Sie, geschah? Das Kapital krepierte.

45Billiger Textilienmarkt in einer Halle im Zentrum von Paris, in der man horrende Preise zahlt, wenn man nicht zu handeln versteht.

46Im Original: l’activité du paraître dans soi du monde

47Im Original: toute l’activité d’apparence

48Das Ziel der Theorie des Mehrwerts, in einem Wort das Ziel der Theorie des Arbeitswerts von Smith und Ricardo ist es, aus der Ausbeutung eine quantitative Frage zu machen. Die Entwicklung, die Ausbreitung dieser Kondition auf die Mehrheit der Menschen enthüllt, daß die Ausbeutung nie eine quantitative Frage war, sondern im Gegenteil eine qualitative Frage ist. Mit der Entwicklung der Lohnarbeit erfährt der Lohnarbeiter, warum der Handel, der Herr, den Planeten zu einem lodernden Schlachtfeld gemacht hat. Der Lohnarbeiter erfährt die Humanität des Herren, ohne auch nur eine seiner Illusionen zu haben. Die Herren hatten nur die Leidenschaft des Reichtums, aber sie hatten auch immer die Leidenschaft der Entfremdung.

49Der linke Arme ist der Arme, der sich reich glaubt (diese Rolle kam früher dem sogenannten "Kleinbürgertum" zu). Er ist ein Dummkopf, der sich einbildet, daß man von der Ware, daß man von dieser Welt "profitieren" kann. Er ist ein Dummkopf, der sich einbildet, daß er von der Ware profitiert, und der sich dessen schämt. Er weiß nicht, daß die Ware von ihm profitiert. Diese Scham hat natürlich nur ein Ziel: ihn vor der Einsicht zu schützen, daß er ein Armer ist, daß er das höchste Elend darstellt. (Hier liegt die Entsprechung zur Ausländerfeindlichkeit und zum Antisemitismus im Kleinbürgertum.) Das Schuldgefühl des linken Dummkopfs hat nur ein Ziel: ihn vor der Einsicht zu schützen, daß die Feigheiten und Verzichte, - den Preis, den er für sein Überleben hat zahlen müssen -, z.B. die Universität: als Student die unermeßliche Dämlichkeit der Akademiker zu ertragen, tonnenweise Dummheiten zu lesen und zu hören, die der Student nun mal lesen und hören muß, daß diese Feigheiten und Verzichte also vergeblich sind und er es durch diesen Kampf nur zum Elend gebracht hat. Um dieses Schuldgefühl zu nähren, muß er sich unbedingt noch Ärmere (bildet er sich ein!) finden, was seine Vorliebe für inländische und ausländische, metropolitische und überseeische Dritte-Weltismen erklärt. Der linke Dummkopf ist der erklärte Feind des Reichtums, das Gegenteil des Proletariers, des Armen, der nicht weiß, daß er arm ist. Das Ziel der herrschenden Klasse ist es, ein Höchstmaß an linken Dummköpfen zu produzieren. Dazu beschäftigt sie ein Heer von linken Schweinehunden (die herrschende Klasse wagt es nicht mehr, sich als Rechte auszugeben), Akademikern, Künstlern, Journalisten, Generaldirektoren, Publizisten, Ökonomen, ehemaligen Schülern der E.N.A. (= Ecole Nationale de l’Administration, die die elitären Kader der politischen Führungskräfte in Frankreich ausbildet), Ministern, Staatsmännern. Der linke Dummkopf gibt das Fußvolk in den großen reformistischen Manövern dieses Heeres ab. Der linke Dummkopf dient, wie auf der Jagd, als Lockente für die Wildenten.

50siehe hierzu die grundlegenden Arbeiten des Ethnologen B. Malinowski: Sitte und Verbrechen bei den Naturvölkern, Bern 1949 (1926); Geschlecht und Verdrängung in primitiven Gesellschaften, Reinbek 1962 (1937) und vor allem Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien, Leipzig/Zürich 1930 (1929).

51Im Original: ils sont ce qui ne paraît pas

52In einem Artikel der Nr.3 der elektro-konfusionistischen Zeitschrift Interfèrences, der den graffitis gewidmet ist, die vor kurzem New York bedeckten, wundert sich der Semiologe Baudrillard darüber, daß diese graffitis - eine Hülle und Fülle von Kriegsnamen und Kodenamen - nichts bedeuten. Darauf folgt eine lange Fragerei, die uns davon überzeugen möchte, daß "die totale Manipulation der Kode und Bedeutungen das wahre strategische Feld bildet", eine Fragerei also, die uns von der Wichtigkeit der kümmerlichen, universitären Spezialität - des Broterweibes von Baudrillard - überzeugen möchte. Diese Art Dummkopf würde in einem Wald keinen Baum finden. Was die jungen Schwarzen und Puertoricaner, die Autoren dieser Inschriften, sagen, ist, daß sie nichts zu sagen haben, und daß es in ihnen revoltiert, daß sie nichts zu sagen haben. Sie sind nicht so, wie die Akademiker und die "modernen Künstler", die sich so gut damit abfinden, nichts zu sagen zu haben, daß sie daraus einen Beruf machen.

53Das widerlegt die schändliche Auffassung der Bourgeoisie von der Idee: die Psychologie. Das bürgerliche Bewußtsein ist die Idee, die man alleine haben könnte. Es ist die Onanie des Geistes.

54Immer die, die ständig das Wort Kommunikation im Mund führen - weil sie dafür bezahlt werden - gerade die wissen am wenigsten, was die Kommunikation sein kann (sonst würde man sie nicht mehr bezahlen; bezahlen tut man sie, eben weil sie nichts wissen). So geht es auch der universitären Schande, die unfähig ist, die Abwesenheit von Kommunikation zwischen den Menschen einfach festzustellen. Wie könnten sie es auch, da sie Leute sind, die auf jede Hoffnung auf Kommunikation verzichtet haben und in ihrem Leben nie erlebt haben, was Kommunikation ist. Es sind dieselben, die stets von der Kommunikation zwischen den Menschen mittels der Objekte sprechen. Sie sind vollkommen unfähig zu bemerken, daß die Objekte mittels der Menschen unter sich kommunizieren. Dazu müßten sie eine Ahnung davon haben, was Kommunikation ist. Und wiederum dieselben gebrauchen massenhaft den Ausdruck "Massenkommunikation", ohne auch nur einen Augenblick dessen Trivialität zu erahnen, da Kommunikation darin besteht, daß die Massen sich (als solche) aufheben. Und schließlich befassen sich, -Ohnmächtige unter Ohnmächtigen - die Linguisten, die Semiologen, ernsthaft mit der Sprache, den Zeichen, den Symbolen, während sie nicht die geringste Ahnung davon haben, wozu diese wohl dienen können.

55Vermutlich eine innersituationistische Abrechnung; R. Vaneigem z.B. lebt in Brüssel.

56Portugal steht zur Zeit, gefolgt von Italien, an erster Stelle der Weltproduktion von Schwätzen. Doch diese Produktion toleriert noch das Geld und den Staat. Die Verbesserung ihrer Qualität ist für sie eine Frage von Leben und Tod. Armes Portugal, wo es von Anbetern des Staates: linksradikale, linker Dreck, Stalinisten nur so wimmelt. Glückliches Portugal, wo die Versammlung der meuternden Soldaten in der Kaserne Serra do Pilar gegen alle Verfechter von "Übergangsperioden" von denen es hier wie dort nur so wimmelt, beschließt, den Kampf für den "unmittelbaren Sozialismus" (Le Monde vom 9. Oktober 1975), das heißt für das ununterbrochene Schwätzen zu führen. Daß die professionellen Schwätzer mehr als alles das Schwätzen fürchten, erkennt man am besten, wenn man diese Art von Rekord betrachtet, den die Spezialisten der Zeitung "Le Monde" in dieser Hinsicht halten. Nahezu zwei Jahre lang konnten sie täglich über Portugal, das heißt über die professionellen Schwätzer in Portugal und deren groteskes, fieberhaftes Treiben hochtrabende Reden schwingen, ohne auch nur einmal von dem zu reden, was man in Portugal tatsächlich tut, das heißt, ohne auch nur einmal davon zu sprechen, was man in Portugal wirklich sagt. (Wohlgemerkt, dieser Text wurde im Dezember 1975 abgeschlossen. Anm. d. Übersetzers).